Das Ambiente war standesgemäß. Unter den Linden 8, Staatsbibliothek zu Berlin, Wilhelm-von-Humboldt-Saal. Wo anders hätte man das (bisherige) Le-
benswerk von Klaus Hoffmann feiern können.
Es war ein Familientreffen. Viele Gesichter kannte man von seinen Konzerten. Hoffmanns Fans, würde-
voll mit ihm gealtert, kennen vermut-lich keine Lebensgeschichte so gut, wie seine, die er bei seinen
Konzerten immer wieder erzählt, so auch gestern Abend.
André Schmitz, von 2001 bis 2006 Chef der Senatskanzlei beim Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit, von 2006 bis 2014 Kulturstaatssekretär,
und heute Vorsitzender der Freunde der Staatsbibliothek zu Berlin e.V., versuchte sich an der Moderation des Abends, an dem Klaus Hoffmanns Buch
„Alle meine Lieder“ vorgestellt wurde. Sicherlich war Schmitz gut vorbe-reitet, Hoffmann durchkreuzte
aber immer wieder die beabsichtigte Reihenfolge, indem er in seiner Vita hin und her sprang. Ein Gespräch mit Klaus Hoffmann braucht keinen roten
Faden, viel wichtiger ist, dass er das macht, weswegen seine Fans vor allem gekommen sind, nämlich singen. Warum Schmitz zu Beginn des Abends er-
wähnen musste, dass er, Schmitz, schwul sei, erschließt sich mir nicht. Dass Klaus Hoffmann in jun-
gen Jahren ein hübscher Kerl war, wissen alle, egal welcher sexuellen Orientierung, die ihn von früher
kennen oder seine Fotos sehen. Und auch heute noch, mit 73 Jahren, ist Klaus Hoffmann ein sehr gut aussehen-der Mann, dem nicht nur weibliche
Fans, im übertragenen Sinne, zu Füßen liegen.
Es ist mehr als nur ein Buch, in dem die Texte seiner Lieder stehen. Es ist eine spannende Biografie, die seinen künstlerischen Weg als Schauspieler, Autor und Sänger mit viel Bildmaterial, von den Anfängen
bis heute beschreibt. Der Autor dieses Beitrages, der das Vergnügen hatte, mit Klaus von 1967 bis 1970 in einer Klasse die Berufsschule für Groß- und Außenhandelskaufleute in Schöneberg besucht zu haben, ist stolz, natürlich darauf, vor allem aber, dass es ihm nach Jahrzehnte langen Bemühungen gelungen ist, eine Korrektur an seiner Vita vorzunehmen; seine legendäre Reise nach Afghanistan fand nämlich nicht 1969, sondern erst nach der Berufsausbildung 1970 statt. Das musste an dieser Stelle einfach mal erwähnt werden.
Zu verdanken ist dieses wunderbare Buch vor allem Klaus Frau Malene Staeger, die im Impressum bescheiden unter „Lektorat“ aufgeführt wird, und Klaus langjähriger Assistentin Natalie Liverakos, die u.a. sein Büro am Kurfürstendamm managt.
Das Buch ist beim Westkreuz Verlag für 29,90 Euro erhältlich. Hoffmann sieht dieses Buch als Zwischenbilanz an.
Eine Abschiedstournee wie bei Vicky Leandros oder Peter Maffay steht nicht im Kalender. Zu sehen und zu hören ist er am 31. Dezember um 15:00 Uhr im Ernst-Reuter-Saal in Reinicken-
dorf.
Es geht also weiter, neue Lieder werden hinzukommen. Klaus Wunsch im Vorwort schließen wir uns
ausdrücklich an: „Möge es niemals enden."
Ed Koch
paperpress Nr, 630-13 vom 15.10.24
Zwischenbilanz
Mannheimer Morgen 04.10.2024:
Ansichten eines Philanthropen
Ansichten eines Philanthropen
Pop: Klaus Hoffmann mit 50. Album im Mannheimer Capitol
Von Ute Maag
Als Klaus Hoffmann zur "Tagesschau"-Zeit die Bühne des Mannheimer Capitols betritt, ist die Nachricht, der Iran habe Israel bombardiert, noch frisch. Solchem Wahnsinn kann auch er, der sich, anders als manche Kollegen seiner Generation, nie als politischer definiert hat, nicht entkommen. "Was ist los in der Welt?", fragt er also ratlos und seufzt, begleitet vom Applaus: "Wo sind eigentlich die Tyrannenmörder, wenn man sie mal braucht?"
Während der Pandemie habe er erstmals so eine Endzeitstimmung verspürt, erzählt er. Den Gedanken, aufzuhören mit dem Singen und Schreiben, hat er -zum Glück!- verworfen, stattdessen sind ihm "Flügel" gewachsen -so der Titel seines 50. Albums, mit dem der 73-jährige Chansonnier derzeit auf Tour seine Fans begeistert.
Ein Klavier, darauf ein Keyboard und eine Gitarre - mehr brauchen Hoffmann und sein langjähriger Pianist Hawo Bleich nicht, um musikalisch und gesanglich alle Register zu ziehen. Schon bei "Neuer Morgen", dem optimistischen Eröffnungssong des meuen Albums, zieht das Duo das durchweg lebenserfahrene Publikum in seinen Bann. Hits wie "Der König der Kinder" oder "Weil du nicht bist wie alle anderen", die Hoffmann unter die neuen Lieder mischt, erkennt es schon an den ersten Takten, ebenso seine deutschen Jacques-Brel-Interpretationen von "Ne me quitte pas" oder "Amsterdam".
Die neuen Melodien changieren zwischen Folk, Jazz, Pop, Blues und Chanson, die Texte sind heiter bis nachdenklich und handeln von der Liebe, vom Älterwerden und von Sehnsüchten - Resultat seiner Beobachtungsgabe und dem aufmerksamen Blick des Menschenfreundes.
Die Überleitungen gelingen dem schauspiel-erfahrenen Bühnentier und begnadeten Erzähler selbstironisch; pathosfrei und bisweilen im Stil eines Stand-up-Comedians - etwa, wenn er in Kindheits- und Jugenderinnerungen an die Nachkriegszeit schwelgt und schnoddrig genuschelt hofft, "dass das auch die Nachkriegszeit bleiben wird". Oder wenn er von Fernweh, seiner Reise Richtung Goa und Erlebnissen im Afghanistan der 70er Jahre berichtet. Oder wenn es ums Älterwerden und dessen Begleiterscheinungen geht. Auch das Publikum darf sich einiges anhören. "Kennen Sie Hannes Wader? Ja? Mein Gott, wie alt sind Sie?"
Vom mittlerweile 82jährigen Freund unterscheide ihn eines: "Ich wollte mit meinen Texten nie die Welt verbessern, ich wollte immer nur mein eigenes Lied finden", betont er.
Auch dem früh verstorbenen Vater, der krank an Körper und Seele aus dem Krieg kam, und dem Stiefvater ("der war gut zu mir") widmet er warmherzige Worte, ehe er mit dem letzten Lied, "Im nächsten Sommer sehen wir uns wieder", durch die Reihen der Zuschauer wandert.
So einfach gehen lassen die den Liedermacher jedoch nicht: Stehend erklatschen sie zwei Zugaben - und bei "Derselbe Mond über. Berlin" klappt dann auch das Mitsingen zur Zufriedenheit des Künstlers. Als die ersten schon gehen wollen,kommt er also doch nochmals auf die Bühne. "Adieu Emile" rundet diesen schwebend leichten und wunderbar sentimentalen Abend ab. Und damit geben wir ab zu den "Tagesthemen".
Als Klaus Hoffmann zur "Tagesschau"-Zeit die Bühne des Mannheimer Capitols betritt, ist die Nachricht, der Iran habe Israel bombardiert, noch frisch. Solchem Wahnsinn kann auch er, der sich, anders als manche Kollegen seiner Generation, nie als politischer definiert hat, nicht entkommen. "Was ist los in der Welt?", fragt er also ratlos und seufzt, begleitet vom Applaus: "Wo sind eigentlich die Tyrannenmörder, wenn man sie mal braucht?"
Während der Pandemie habe er erstmals so eine Endzeitstimmung verspürt, erzählt er. Den Gedanken, aufzuhören mit dem Singen und Schreiben, hat er -zum Glück!- verworfen, stattdessen sind ihm "Flügel" gewachsen -so der Titel seines 50. Albums, mit dem der 73-jährige Chansonnier derzeit auf Tour seine Fans begeistert.
Ein Klavier, darauf ein Keyboard und eine Gitarre - mehr brauchen Hoffmann und sein langjähriger Pianist Hawo Bleich nicht, um musikalisch und gesanglich alle Register zu ziehen. Schon bei "Neuer Morgen", dem optimistischen Eröffnungssong des meuen Albums, zieht das Duo das durchweg lebenserfahrene Publikum in seinen Bann. Hits wie "Der König der Kinder" oder "Weil du nicht bist wie alle anderen", die Hoffmann unter die neuen Lieder mischt, erkennt es schon an den ersten Takten, ebenso seine deutschen Jacques-Brel-Interpretationen von "Ne me quitte pas" oder "Amsterdam".
Die neuen Melodien changieren zwischen Folk, Jazz, Pop, Blues und Chanson, die Texte sind heiter bis nachdenklich und handeln von der Liebe, vom Älterwerden und von Sehnsüchten - Resultat seiner Beobachtungsgabe und dem aufmerksamen Blick des Menschenfreundes.
Die Überleitungen gelingen dem schauspiel-erfahrenen Bühnentier und begnadeten Erzähler selbstironisch; pathosfrei und bisweilen im Stil eines Stand-up-Comedians - etwa, wenn er in Kindheits- und Jugenderinnerungen an die Nachkriegszeit schwelgt und schnoddrig genuschelt hofft, "dass das auch die Nachkriegszeit bleiben wird". Oder wenn er von Fernweh, seiner Reise Richtung Goa und Erlebnissen im Afghanistan der 70er Jahre berichtet. Oder wenn es ums Älterwerden und dessen Begleiterscheinungen geht. Auch das Publikum darf sich einiges anhören. "Kennen Sie Hannes Wader? Ja? Mein Gott, wie alt sind Sie?"
Vom mittlerweile 82jährigen Freund unterscheide ihn eines: "Ich wollte mit meinen Texten nie die Welt verbessern, ich wollte immer nur mein eigenes Lied finden", betont er.
Auch dem früh verstorbenen Vater, der krank an Körper und Seele aus dem Krieg kam, und dem Stiefvater ("der war gut zu mir") widmet er warmherzige Worte, ehe er mit dem letzten Lied, "Im nächsten Sommer sehen wir uns wieder", durch die Reihen der Zuschauer wandert.
So einfach gehen lassen die den Liedermacher jedoch nicht: Stehend erklatschen sie zwei Zugaben - und bei "Derselbe Mond über. Berlin" klappt dann auch das Mitsingen zur Zufriedenheit des Künstlers. Als die ersten schon gehen wollen,kommt er also doch nochmals auf die Bühne. "Adieu Emile" rundet diesen schwebend leichten und wunderbar sentimentalen Abend ab. Und damit geben wir ab zu den "Tagesthemen".
Main Post 30. Juli 2024
Ein fränkischer Sommernachtstraum beim Hafensommer mit einer Hommage an Würzburg
Ein fränkischer Sommernachtstraum beim Hafensommer mit einer Hommage an Würzburg
1200 Menschen genossen am Samstag "Songs an einem Sommerabend" beim Würzburger Hafensommer. Gleich zwei Preisträger hatten auf der schwimmenden Bühne ihren Auftritt.
Von Ursula Düring
Von der schwimmenden Bühne aus kündigt Kabarettist, Sänger und Musiker Matthias Brodowy, der später seine eigenen spannenden musikalischen Geschichten erzählen wird, einen fränkischen Sommernachtstraum an. Nachdem sich ein letzter Regenguss verzogen hat, strömen 1200 Menschen in den Alten Hafen, um beim Hafensommer Würzburg die legendären "Songs an einem Sommerabend" zu genießen, ein Veranstaltungsformat von Ado Schlier.
Antoine Villoutreix singt von Sternen am Himmel und einer Welt ohne Kriege
Die Feuersteins sind ein Duo aus Bochum. Mit Gitarre und Keyboard präsentieren sich Vater Guntmar und Tochter Emily, die mit "Das Spiel ist aus", einem von ihnen vertonten Gedicht von Ingeborg Bachmann, einen rhythmisch-poetisch-melodiösen musikalischen Akzent setzen.
Antoine Villoutreix, der in diesem Jahr den "Walther-von-der-Vogelweide-Preis" bekommt, hat seinen Wohnsitz von Paris nach Berlin verlegt. Begleitet von seiner Gitarre, singt der charmante Musiker auf Französisch und Deutsch von den Boulevards in Paris, vom Ende des Sommers, von den Sternen am Himmel, von einer Welt ohne Kriege.
Erdige Lieder und kompromisslose musikalische Statements hat der Liedermacher Dominik Plangger aus Südtirol mitgebracht. Seine von seiner Gitarre begleiteten Songs auf Deutsch, Italienisch und im Vinschgauer Dialekt sind kraftvoll, gesellschaftskritisch und hochpolitisch. Ihre leidenschaftlichen Klänge, ihr Geigenspiel und die Stimme seiner Frau Claudia Fenzl gehen unter die Haut.
Zu unzähligen Preisen, die Sänger, Schauspieler, Liedermacher und Autor Klaus Hoffmann schon erhalten hat, kommt an diesem Abend der "Walther-von-der- Vogelweide-Preis" für sein Lebenswerk. Er wird am Flügel von einem souverän aufspielenden Hawo Bleich begleitet. Hoffmann geht ins Publikum, augenzwinkernd, singt mit und ohne Gitarre vom Kleinbügermief, von Einsamkeit und seine besondere Version von Jacques Brels "Amsterdam".
Mit Allan Taylor kommt einer der ganz Großen der Folkmusik auf die schwimmende Bühne. Er singt von den Menschen, ihrer Liebe und ihren Problemen. Die warme, Ohren und Herzen umschmeichende Klangfarbe seiner Stimme schmiegt sich in die immer dunkler werdende Nacht.
Eine Hommage an Unterfranken und Würzburg und allerlei Nonsens bringt der Publikumsliebling des letzten Jahres mit, der Kleinkünstler Sven Garrecht: urkomisch und einfach nur amüsant.
Nicht mehr wegzudenken aus den Sommernachtssongs ist Carolin No. Mit einem Klangteppich aus Elektropianotönen, Schlagwerk und Gesang entführen das Duo Carolin und Andreas Obieglo nach Italien und rund um die Welt, bevor mit "Gute Nacht Freunde" ein atmosphärischer Abend zu Ende geht.
Von der schwimmenden Bühne aus kündigt Kabarettist, Sänger und Musiker Matthias Brodowy, der später seine eigenen spannenden musikalischen Geschichten erzählen wird, einen fränkischen Sommernachtstraum an. Nachdem sich ein letzter Regenguss verzogen hat, strömen 1200 Menschen in den Alten Hafen, um beim Hafensommer Würzburg die legendären "Songs an einem Sommerabend" zu genießen, ein Veranstaltungsformat von Ado Schlier.
Antoine Villoutreix singt von Sternen am Himmel und einer Welt ohne Kriege
Die Feuersteins sind ein Duo aus Bochum. Mit Gitarre und Keyboard präsentieren sich Vater Guntmar und Tochter Emily, die mit "Das Spiel ist aus", einem von ihnen vertonten Gedicht von Ingeborg Bachmann, einen rhythmisch-poetisch-melodiösen musikalischen Akzent setzen.
Antoine Villoutreix, der in diesem Jahr den "Walther-von-der-Vogelweide-Preis" bekommt, hat seinen Wohnsitz von Paris nach Berlin verlegt. Begleitet von seiner Gitarre, singt der charmante Musiker auf Französisch und Deutsch von den Boulevards in Paris, vom Ende des Sommers, von den Sternen am Himmel, von einer Welt ohne Kriege.
Erdige Lieder und kompromisslose musikalische Statements hat der Liedermacher Dominik Plangger aus Südtirol mitgebracht. Seine von seiner Gitarre begleiteten Songs auf Deutsch, Italienisch und im Vinschgauer Dialekt sind kraftvoll, gesellschaftskritisch und hochpolitisch. Ihre leidenschaftlichen Klänge, ihr Geigenspiel und die Stimme seiner Frau Claudia Fenzl gehen unter die Haut.
Zu unzähligen Preisen, die Sänger, Schauspieler, Liedermacher und Autor Klaus Hoffmann schon erhalten hat, kommt an diesem Abend der "Walther-von-der- Vogelweide-Preis" für sein Lebenswerk. Er wird am Flügel von einem souverän aufspielenden Hawo Bleich begleitet. Hoffmann geht ins Publikum, augenzwinkernd, singt mit und ohne Gitarre vom Kleinbügermief, von Einsamkeit und seine besondere Version von Jacques Brels "Amsterdam".
Mit Allan Taylor kommt einer der ganz Großen der Folkmusik auf die schwimmende Bühne. Er singt von den Menschen, ihrer Liebe und ihren Problemen. Die warme, Ohren und Herzen umschmeichende Klangfarbe seiner Stimme schmiegt sich in die immer dunkler werdende Nacht.
Eine Hommage an Unterfranken und Würzburg und allerlei Nonsens bringt der Publikumsliebling des letzten Jahres mit, der Kleinkünstler Sven Garrecht: urkomisch und einfach nur amüsant.
Nicht mehr wegzudenken aus den Sommernachtssongs ist Carolin No. Mit einem Klangteppich aus Elektropianotönen, Schlagwerk und Gesang entführen das Duo Carolin und Andreas Obieglo nach Italien und rund um die Welt, bevor mit "Gute Nacht Freunde" ein atmosphärischer Abend zu Ende geht.
Billerbecker Anzeiger 23.04.2024:
Erinnerungen humorvoll vertont
Erinnerungen humorvoll vertont
Musikalische Lesung von Klaus Hoffmann zog aus einem weiten Umkreis rund 300 Besucher an
Von Elvira Meisel-Kemper
Klaus Hoffmann (73) ist für viele langjährige Fans seiner Lieder und seiner Bücher ein ewig gegenwärtiger Begriff. Deshalb war es auch kein Wunder, dass seine musikalische Lesung in der Geschwister Eichenwald-Aula über 300 Besucher mindestens aus ganz NRW anzog. Die Veranstaltung fand statt im Rahmen des Kulturprogramms der Stadt Billerbeck in Kooperation mit der Freilichtbühne.
Angelika Sattler aus Münster gehörte zu den vielen auswärtigen Fans: "Ich bin seit mindestens 45 Jahren Fan von ihm. Seine Lieder sind poetisch und durchaus rockig." Die Ära seiner engen Freunde Reinhard Mey und Hannes Wader waberte durch den Raum in der Art seines Vortrags seiner Lieder, die er mit der Gitarre begleitete. In seinen Songtexten und in seinen Büchern beleuchtete Hoffmann immer wieder die Vergangenheit, vor allem die Zeit des Schweigens der Elterngeneration nach 1945.
Hoffmann wurde 1951 in Berlin-Charlottenburg geboren. Sein Vater starb 1961. Von ihm übernahm Hoffmann die Liebe zur Musik und den Ausspruch "als wenn es gar nichts wär", der zum Titel seiner Biografie wurde, die 2012 erschien. Im Jahr 2000 erschien bereits sein Buch "Afghana" aufgrund seiner Reise 1968 als Hippie durch Iran, die Türkei und Afghanistan, die er beinahe nicht überlebt hätte. Beide Bücher hatte er mitgebracht. In einer Mischung aus Lesung und freier Erzählung plauderte er drauf los, unterbrochen nur von seinen Songs und immer länger werdendem Beifall danach.
Sein schwarz-ironischer Humor zog das Publikum zusätzlich lachend in den Bann. Bereits die erste Passage aus der Biografie offenbarte seinen ausgeprägten Hang zur Beobachtung, zum Inhalieren von Eindrücken aus seiner Kindheit und zur Ironie. "Diese ganze Kindheit steckt in mir drin wie ein Lebensmittel. Es war die Zeit wo man pünktlich war und wo man saubere Unterwäsche trug, bevor man aus dem Haus ging. Frauen waren damals die Starken, die zurückgekehrten Männer störten nur", so Hoffmann. Witze machte er auch über die Berliner und verband es mit der Frage ans Publikum: "Kennen Sie Berlin? Ach ja? Ich dachte, sie kommen hier nicht raus". Seine Eltern lernten sich nach 1945 an einem Brunnen in Berlin kennen.
Als sein ewig kranker und trauriger Vater gestorben war, fühlte er sich erstmals frei. Er fing an zu schreiben. 1968 reiste er durch den vorderen Orient mit seinem Hippie-Freund Siggi. Bei der Lesung aus dem Buch "Afghana" packte ihn die Dramatik der Erinnerungen, untermauert durch seine Körpersprache. Poetisch, voller
Mahnungen und Erinnerungen an seine ersten Lieben und seine vielen Erlebnisse waren auch seine Lieder. Als er "Blinde Katharina" intonierte, sang das ganze Publikum mit. Mechthild Blind aus Werne war eine der besonders aktiven Sängerinnen: "Ich bin seit 1979 Fan. Seine Texte stimmen mich immer wieder nachdenklich". Ohne Zugaben kam er nach stehenden Ovationen des Publikums natürlich nicht von der Bühne.
Klaus Hoffmann (73) ist für viele langjährige Fans seiner Lieder und seiner Bücher ein ewig gegenwärtiger Begriff. Deshalb war es auch kein Wunder, dass seine musikalische Lesung in der Geschwister Eichenwald-Aula über 300 Besucher mindestens aus ganz NRW anzog. Die Veranstaltung fand statt im Rahmen des Kulturprogramms der Stadt Billerbeck in Kooperation mit der Freilichtbühne.
Angelika Sattler aus Münster gehörte zu den vielen auswärtigen Fans: "Ich bin seit mindestens 45 Jahren Fan von ihm. Seine Lieder sind poetisch und durchaus rockig." Die Ära seiner engen Freunde Reinhard Mey und Hannes Wader waberte durch den Raum in der Art seines Vortrags seiner Lieder, die er mit der Gitarre begleitete. In seinen Songtexten und in seinen Büchern beleuchtete Hoffmann immer wieder die Vergangenheit, vor allem die Zeit des Schweigens der Elterngeneration nach 1945.
Hoffmann wurde 1951 in Berlin-Charlottenburg geboren. Sein Vater starb 1961. Von ihm übernahm Hoffmann die Liebe zur Musik und den Ausspruch "als wenn es gar nichts wär", der zum Titel seiner Biografie wurde, die 2012 erschien. Im Jahr 2000 erschien bereits sein Buch "Afghana" aufgrund seiner Reise 1968 als Hippie durch Iran, die Türkei und Afghanistan, die er beinahe nicht überlebt hätte. Beide Bücher hatte er mitgebracht. In einer Mischung aus Lesung und freier Erzählung plauderte er drauf los, unterbrochen nur von seinen Songs und immer länger werdendem Beifall danach.
Sein schwarz-ironischer Humor zog das Publikum zusätzlich lachend in den Bann. Bereits die erste Passage aus der Biografie offenbarte seinen ausgeprägten Hang zur Beobachtung, zum Inhalieren von Eindrücken aus seiner Kindheit und zur Ironie. "Diese ganze Kindheit steckt in mir drin wie ein Lebensmittel. Es war die Zeit wo man pünktlich war und wo man saubere Unterwäsche trug, bevor man aus dem Haus ging. Frauen waren damals die Starken, die zurückgekehrten Männer störten nur", so Hoffmann. Witze machte er auch über die Berliner und verband es mit der Frage ans Publikum: "Kennen Sie Berlin? Ach ja? Ich dachte, sie kommen hier nicht raus". Seine Eltern lernten sich nach 1945 an einem Brunnen in Berlin kennen.
Als sein ewig kranker und trauriger Vater gestorben war, fühlte er sich erstmals frei. Er fing an zu schreiben. 1968 reiste er durch den vorderen Orient mit seinem Hippie-Freund Siggi. Bei der Lesung aus dem Buch "Afghana" packte ihn die Dramatik der Erinnerungen, untermauert durch seine Körpersprache. Poetisch, voller
Mahnungen und Erinnerungen an seine ersten Lieben und seine vielen Erlebnisse waren auch seine Lieder. Als er "Blinde Katharina" intonierte, sang das ganze Publikum mit. Mechthild Blind aus Werne war eine der besonders aktiven Sängerinnen: "Ich bin seit 1979 Fan. Seine Texte stimmen mich immer wieder nachdenklich". Ohne Zugaben kam er nach stehenden Ovationen des Publikums natürlich nicht von der Bühne.
Berliner Morgenpost, 22. März 2024
Klaus Hoffmann erzählt von der Sehnsucht und vom Älterwerden
Klaus Hoffmann erzählt von der Sehnsucht und vom Älterwerden
Von Felix Müller
Berlin.
Der Liedermacher stellt in der Bar jeder Vernunft sein 50. Album
„Flügel“ vor – und bringt das Publikum immer wieder zum Lachen.
Er habe vier oder fünf Kilo abgenommen, sagt Klaus Hoffmann am Anfang, aber wahrscheinlich merke das wieder kein Mensch. Dabei sind an diesem Abend in der ausverkauften Bar jeder Vernunft viele seiner treuesten Fans im Publikum. Man erkennt es
daran, wie schon nach wenigen Takten Jubel ausbricht und mitgesungen wird, wenn er seine größten Hits anstimmt. Hoffmann selbst freut sich über das Leuchten in den Augen der Gäste und begrüßt auch die beiden ehemaligen Regierenden Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit und Michael Müller.
Stimmt schon, er sieht etwas schmaler und sportlicher aus, aber das ist ja nicht die Hauptsache. Er stellt an diesem Abend Songs aus seinem 50. Album vor, es trägt den Namen
„Flügel“. Es ist nicht selbstver-ständlich, dass es existiert. „Während Corona“, hat Hoffmann im Interview gesagt, „gab es tatsächlich eine Zeit, da saß ich in meinem alten Benz, bin so rumgefahren und hab gedacht, dass es doch eigentlich ganz schön sein müsste, jetzt aufzuhören. Die Frau ist zu Hause und kocht, die Katze im Garten, und Hoffmann hört sich
seine alten Lieder an.“
Wie schön, dass er dann spürte, noch nicht fertig zu sein mit seiner Musik und seinen Geschichten. Hoffmann ist ein begnadeter Erzähler, weil er genau weiß, dass man das Pathos großer Gefühle abfedern muss, um nicht davon erdrückt zu werden. Sein Mittel ist eine hinreißende Schnoddrigkeit, mit der sich oft ins Ungefähre nuschelt. Als junger Mann habe er rausgewollt in die Welt, sagt er zum Beispiel, nach Goa in Indien, der Weg dahin sei ja klar gewesen: „Dreilinden und dann...“ – und im schönen Wort „Dreilinden“ ist sie schon ganz enthalten, die kleine, etwas stickige Welt des alten West-Berlin, in die er 1951 geboren wurde
und die ihn geprägt hat.
Klaus Hoffmann: Beim „Mond über Berlin“ singen alle mit
Dazu kommt eine große Freude an der Selbstironie. Bei einem seiner frühen Auftritte sei er einmal für den seinerzeit längst verstorbenen Peter Hofmann gehalten worden, berichtet
Hoffmann zur Freude seiner Gäste. Oder das Konzert damals im weltgewandten Uelzen, als er sich gerade umgezogen hatte, zur Bühne zurückwollte und gefragt wurde, ob der Sänger denn auch noch komme. Hoffmann taucht tief ein in seine Kindheit in der Kaiser-Friedrich-Straße 3a, er erzählt von seinem todkranken, früh verstorbenen Vater, von seiner starken Mutter und von seinen Fahrten im Bus zu der Klöckner-Eisenhandel GmbH, wo er nach dem Realschulabschluss 1967 eine Lehre zum Einzelhandelskaufmann absolvierte und die ganze Zeit den Herzenswunsch nach einem anderen Leben in sich trug.
Man kennt sie, diese Sehnsucht, von der Hoffmann immer wieder aufs Neue erzählt, auch in seinen neuen Liedern, die er hier mit Hawo Bleich am Flügel präsentiert. In allen Spielarten:
Chanson, Blues, Latin, Pop. Um die Weite der Welt geht es, um kleine Gesten, um Kinder und Engel und um die Liebe sowieso, das immer. Aber es ist eben auch ein sehr lustiger Abend. Aus seinen Bemerkungen zum Älterwerden, dem eigenen wie dem seines Publikums,
könnte Hoffmann mühelos ein ganzes Stand-up-Comedy-Programm bestreiten.
Arterienverkalkung oder auch nur graues Haar gehören zum Leben dazu. Jeder im Spiegelzelt weiß das, und umso inniger singen gegen Ende alle mit, als der Liedermacher „Derselbe Mond über Berlin“ anstimmt. Ein Song, der jung macht – egal, wie alt man ist.
Berlin.
Der Liedermacher stellt in der Bar jeder Vernunft sein 50. Album
„Flügel“ vor – und bringt das Publikum immer wieder zum Lachen.
Er habe vier oder fünf Kilo abgenommen, sagt Klaus Hoffmann am Anfang, aber wahrscheinlich merke das wieder kein Mensch. Dabei sind an diesem Abend in der ausverkauften Bar jeder Vernunft viele seiner treuesten Fans im Publikum. Man erkennt es
daran, wie schon nach wenigen Takten Jubel ausbricht und mitgesungen wird, wenn er seine größten Hits anstimmt. Hoffmann selbst freut sich über das Leuchten in den Augen der Gäste und begrüßt auch die beiden ehemaligen Regierenden Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit und Michael Müller.
Stimmt schon, er sieht etwas schmaler und sportlicher aus, aber das ist ja nicht die Hauptsache. Er stellt an diesem Abend Songs aus seinem 50. Album vor, es trägt den Namen
„Flügel“. Es ist nicht selbstver-ständlich, dass es existiert. „Während Corona“, hat Hoffmann im Interview gesagt, „gab es tatsächlich eine Zeit, da saß ich in meinem alten Benz, bin so rumgefahren und hab gedacht, dass es doch eigentlich ganz schön sein müsste, jetzt aufzuhören. Die Frau ist zu Hause und kocht, die Katze im Garten, und Hoffmann hört sich
seine alten Lieder an.“
Wie schön, dass er dann spürte, noch nicht fertig zu sein mit seiner Musik und seinen Geschichten. Hoffmann ist ein begnadeter Erzähler, weil er genau weiß, dass man das Pathos großer Gefühle abfedern muss, um nicht davon erdrückt zu werden. Sein Mittel ist eine hinreißende Schnoddrigkeit, mit der sich oft ins Ungefähre nuschelt. Als junger Mann habe er rausgewollt in die Welt, sagt er zum Beispiel, nach Goa in Indien, der Weg dahin sei ja klar gewesen: „Dreilinden und dann...“ – und im schönen Wort „Dreilinden“ ist sie schon ganz enthalten, die kleine, etwas stickige Welt des alten West-Berlin, in die er 1951 geboren wurde
und die ihn geprägt hat.
Klaus Hoffmann: Beim „Mond über Berlin“ singen alle mit
Dazu kommt eine große Freude an der Selbstironie. Bei einem seiner frühen Auftritte sei er einmal für den seinerzeit längst verstorbenen Peter Hofmann gehalten worden, berichtet
Hoffmann zur Freude seiner Gäste. Oder das Konzert damals im weltgewandten Uelzen, als er sich gerade umgezogen hatte, zur Bühne zurückwollte und gefragt wurde, ob der Sänger denn auch noch komme. Hoffmann taucht tief ein in seine Kindheit in der Kaiser-Friedrich-Straße 3a, er erzählt von seinem todkranken, früh verstorbenen Vater, von seiner starken Mutter und von seinen Fahrten im Bus zu der Klöckner-Eisenhandel GmbH, wo er nach dem Realschulabschluss 1967 eine Lehre zum Einzelhandelskaufmann absolvierte und die ganze Zeit den Herzenswunsch nach einem anderen Leben in sich trug.
Man kennt sie, diese Sehnsucht, von der Hoffmann immer wieder aufs Neue erzählt, auch in seinen neuen Liedern, die er hier mit Hawo Bleich am Flügel präsentiert. In allen Spielarten:
Chanson, Blues, Latin, Pop. Um die Weite der Welt geht es, um kleine Gesten, um Kinder und Engel und um die Liebe sowieso, das immer. Aber es ist eben auch ein sehr lustiger Abend. Aus seinen Bemerkungen zum Älterwerden, dem eigenen wie dem seines Publikums,
könnte Hoffmann mühelos ein ganzes Stand-up-Comedy-Programm bestreiten.
Arterienverkalkung oder auch nur graues Haar gehören zum Leben dazu. Jeder im Spiegelzelt weiß das, und umso inniger singen gegen Ende alle mit, als der Liedermacher „Derselbe Mond über Berlin“ anstimmt. Ein Song, der jung macht – egal, wie alt man ist.
Berliner Morgenpost 13. Dezember 2023
Kultur "Der Zustand der Welt macht mir Angst"
Kultur "Der Zustand der Welt macht mir Angst"
Liedermacher Klaus Hoffmann hat mit "Flügel" sein 50. Album vorgelegt. Ein Gespräch über Krisen, Trost und unerfüllte Wünsche
Regina Köhler
Der Liedermacher Klaus Hoffmann gehört zu den Großen seines Fachs. Mit "Flügel" hat er jetzt sein 50. Album vorgelegt. Auch in seinen neuen Liedern geht es um die Suche nach sich selbst, um Angst, Ermutigung und Zuversicht. Wir haben den Sänger in seinem Verlag am Kudamm getroffen und mit ihm über das Leben und über seine Arbeit gesprochen.
Während der Corona-Pandemie gab es eine Zeit, da wollten Sie am liebsten alles hinschmeißen. Jetzt ist Ihr 50. Album erschienen. Was ist passiert?
Klaus Hoffmann: Ja, während Corona gab es tatsächlich eine Zeit, da habe ich in meinem alten Benz gesessen, bin so rumgefahren und hab gedacht, dass es doch eigentlich ganz schön sein müsste, jetzt aufzuhören. Die Frau ist zu Hause und kocht, die Katze im Garten, und Hoffmann hört sich alle seine alten Lieder an. Ich hab mich gefühlt wie damals auf Bali, als ich glaubte, ich könnte surfen. Ich konnte es natürlich nicht und wäre fast untergegangen. Damals war ich bereit loszulassen. Aber dann hat mich jemand gerettet. So war es jetzt wieder. Die Musik hat mich gerettet, die Geschichten, die ich erzählen kann, retten mich. Musik zu machen, hat mich immer erfüllt. Ich bin einfach noch nicht fertig damit.
"Flügel" heißt das neue Album. Mit Flügeln kann man abhauen oder aufbrechen oder einfach in den Himmel aufsteigen und die Welt von oben betrachten. Wozu sind Ihre Flügel da?
Flügel zu haben, kann dies und das bedeuten, erinnert mich aber auch an Bilder aus der Renaissance. Die vor uns haben das alles kapiert, kannten das Licht und den Schatten. Die Kriege damals waren mannigfaltig und furchtbar. Und auch wir sind jetzt wieder mittendrin. Wir brauchen schützende Engel, aber auch einen gewissen Zorn, um in der Welt zu bestehen.
Auch in Ihren neuen Liedern sind Sie wieder auf der Suche nach sich selbst, nach dem Kind, das Sie mal waren. Es ist aber auch viel Zeitgeist zu spüren, ein großer Schmerz darüber, was gerade passiert in der Welt. Wann sind diese Lieder entstanden?
Ich habe lange daran gearbeitet, zwei Jahre insgesamt. Und ja, es geht in diesen Liedern nicht nur um meine Frau Malene, um unseren Garten oder so. Es geht auch um unsere Gegenwart, um den Zustand der Welt, der mir Angst macht, mich hilflos sein lässt. Wenn Freunde sich früher gewünscht haben, dass ich nicht nur Persönliches erzähle, sondern auch von unserer Zeit, habe ich immer gedacht, dass ich keine Sprache dafür hab. Jetzt aber muss ich mich bekennen, jetzt drängt die aufwühlende Gegenwart in meine Lieder. Ich bin kantiger geworden.
Das ist zu hören. Aber auch Trost. Ganz besonders etwa bei "Oh mein Gott ist weit". Wollen Sie Ihre Zuhörer trösten?
Ja, wahrscheinlich tröste ich. Aber ich tröste auch mich selbst. Alles um mich brennt. Ich muss der Feuerwehrmann sein. Gleichzeitig weiß ich, die Welt ist nicht nur schlecht. In mir ist auch Vertrauen gewachsen. Das will ich weitergeben. "Neuer Morgen" ist so ein Lied. Darin die Gewissheit, dass etwas Neues beginnt, alles gut werden kann.
Wie geht es Ihnen, wenn Sie an neuen Liedern arbeiten? Wie fühlen Sie sich da? Was sagt Ihre Frau, die ja am dichtesten dran ist?
Ich bin angespannt, öfter auch unleidlich. Auf die Frage wie sie damit umgeht, hat Malene mal gesagt, dass sie sich dafür entschieden hat, das auszuhalten. Jetzt, wo das neue Album raus ist, geht's mir wieder besser. Ich kann aufatmen und langsam wieder lachen.
Wer darf ein neues Lied zuerst hören - ist das Malene?
Das ist ein schwieriges Gelände. Ich bin da ziemlich gehemmt, nehme die Enttäuschung meistens lieber vorweg. Eigentlich will ich es garnicht vorsingen. Jeder bewertet so ein Lied ja anders, jeder hört etwas anderes. Am besten, es hört jemand, der nicht so nahe an mir dran ist. Am Ende ist es dann aber doch Malene, die neue Lieder als Erste hören darf.
Darf sie dann auch etwas dazu sagen?
Gewisse Sachen schon. Wobei ich das dann oft auch wieder gar nicht aushalte. Man stelle sich eine Szene von Loriot vor: Das kann durchaus tragisch-komisch werden bei uns (lacht).
Sie haben "Flügel" im August dieses Jahres in einem kleinen Münchner Studio aufgenommen zusammen mir Ihrer Band. Hatten Sie eine gute Zeit?
Das waren zehn wunderbare Tage, ein Glücksfall für mich. Von 9 bis 18 Uhr haben wir im Studio zusammengesessen und gearbeitet. Die Band und ich im Kreis. So wie ich mir das immer gewünscht habe. Dann ging es in den Biergarten. Dort gab's gutes Essen und Münchner Bier. Tagsüber haben wir also angestrengt gearbeitet und abends viel gelacht.
Dieses Jahr ist gleich zu Ende. Was wünschen Sie sich vom neuen?
Es soll besser werden, so viel steht fest. Da denke ich natürlich vor allem an das Weltgeschehen. Angesichts all dieser furchbaren Nachrichten, der Kriege, des Aufrüstens ist mir angst und bange. Aber auch für mich war 2023 ein hartes Jahr. Es ist nicht leicht, sich als Künstler durchzuschlagen. Und die Corona Zeit hat schon dazu geführt, dass ich Existenzängste hatte. Hinzu kommt das Älterwerden. Da springst du nicht einfach mehr so leicht und frei durch die Gegend. Da wird dir mehr und mehr bewusst, dass so viel Zeit nicht mehr bleibt. "Wer geht zuerst" ist so ein Lied, das ich seit Längerem im Kopf hab. Meine Frau und ich haben ja eine sehr symbiotische Beziehung. Da ist dieses Thema jetzt schon deutlich präsenter für mich.
Wen würden Sie gern noch treffen, mit wem gern noch arbeiten?
Jil Sander, die würde ich gern mal treffen. Wir würden uns angucken und uns freuen, beim jeweils anderen andere Dinge zu entdecken. Die Frau ist eine große Künstlerin und sie hat eine klare Haltung in ihrer Mode. Das gefällt mir. Van Morrison oder Bob Dylan hätte ich auch gern mal getroffen. Aber das schaffe ich wohl nicht mehr. Ich wäre dann wahrscheinlich eh zu schüchtern und würde die falschen Fragen stellen. Und Joni Mitchell, die hatte einen Schlaganfall...
Begonnen haben Sie Ihre Karriere als Schauspieler. Für die Rolles des Edgar Wibeau in Ulrich Plenzdorfs "Die neuen Leiden des jungen W." sind Sie vielfach ausgezeichnet worden. Würden Sie da gern noch mal anknüpfen?
Ja, ich würde gern mal wieder Schauspieler sein, in einem Film mitmachen. Natürlich nur, wenn das eine gute Geschichte ist, die da erzählt wird.
Wann und wo können wir Sie mit ihren neuen Liedern in Berlin erleben?
Silvesternachmittag wird es wieder eine Show im Festspielhaus am Potsdamer Platz geben. Und im kommenden Jahr sind wir im März in der Bar jeder Vernunft sowie ab November in der Philharmonie. Etliche Termine für eine Tour durch ganz Deutschland stehen ebenfalls schon fest. Weitere werden sicher dazukommen.
Sie werden also weitermachen. Glauben Sie, dass Kunst etwas bewirken kann?
Auf jeden Fall. Ich bin da ganz bei John Lennon. Den ich leider auch nie getroffen habe. Wie überhaupt keinen der Beatles, obwohl die für mich die Größten sind. Weil es die Beatles gab, kann die Welt so schlecht nicht sein, daran glaube ich ganz fest. Genau wie daran, dass Kunst ein Lebensmittel ist. Wer ihr begegnet, kann motiviert werden. Und sei es nur, in die Welt zu gehen, um dann festzustellen, dass es in der Mark Brandenburg doch am Schönsten ist. Als Künstler bin ich ahnungsvoll. Lösungen für all die Probleme der Welt habe ich allerdings auch nicht. Aber ich bin auf der Seite der Schwachen. Das war ich immer. Wobei ich mir manchmal wünschte, noch etwas stärker und mutiger zu sein.
Termine in Berlin: 31.12.2023, 15 Uhr, Komödie im Theater am Potsdamer Platz.
20.3.-24.3.2024, Bar jeder Vernunft; 27.11.2024, Berliner Philharmonie.
Der Liedermacher Klaus Hoffmann gehört zu den Großen seines Fachs. Mit "Flügel" hat er jetzt sein 50. Album vorgelegt. Auch in seinen neuen Liedern geht es um die Suche nach sich selbst, um Angst, Ermutigung und Zuversicht. Wir haben den Sänger in seinem Verlag am Kudamm getroffen und mit ihm über das Leben und über seine Arbeit gesprochen.
Während der Corona-Pandemie gab es eine Zeit, da wollten Sie am liebsten alles hinschmeißen. Jetzt ist Ihr 50. Album erschienen. Was ist passiert?
Klaus Hoffmann: Ja, während Corona gab es tatsächlich eine Zeit, da habe ich in meinem alten Benz gesessen, bin so rumgefahren und hab gedacht, dass es doch eigentlich ganz schön sein müsste, jetzt aufzuhören. Die Frau ist zu Hause und kocht, die Katze im Garten, und Hoffmann hört sich alle seine alten Lieder an. Ich hab mich gefühlt wie damals auf Bali, als ich glaubte, ich könnte surfen. Ich konnte es natürlich nicht und wäre fast untergegangen. Damals war ich bereit loszulassen. Aber dann hat mich jemand gerettet. So war es jetzt wieder. Die Musik hat mich gerettet, die Geschichten, die ich erzählen kann, retten mich. Musik zu machen, hat mich immer erfüllt. Ich bin einfach noch nicht fertig damit.
"Flügel" heißt das neue Album. Mit Flügeln kann man abhauen oder aufbrechen oder einfach in den Himmel aufsteigen und die Welt von oben betrachten. Wozu sind Ihre Flügel da?
Flügel zu haben, kann dies und das bedeuten, erinnert mich aber auch an Bilder aus der Renaissance. Die vor uns haben das alles kapiert, kannten das Licht und den Schatten. Die Kriege damals waren mannigfaltig und furchtbar. Und auch wir sind jetzt wieder mittendrin. Wir brauchen schützende Engel, aber auch einen gewissen Zorn, um in der Welt zu bestehen.
Auch in Ihren neuen Liedern sind Sie wieder auf der Suche nach sich selbst, nach dem Kind, das Sie mal waren. Es ist aber auch viel Zeitgeist zu spüren, ein großer Schmerz darüber, was gerade passiert in der Welt. Wann sind diese Lieder entstanden?
Ich habe lange daran gearbeitet, zwei Jahre insgesamt. Und ja, es geht in diesen Liedern nicht nur um meine Frau Malene, um unseren Garten oder so. Es geht auch um unsere Gegenwart, um den Zustand der Welt, der mir Angst macht, mich hilflos sein lässt. Wenn Freunde sich früher gewünscht haben, dass ich nicht nur Persönliches erzähle, sondern auch von unserer Zeit, habe ich immer gedacht, dass ich keine Sprache dafür hab. Jetzt aber muss ich mich bekennen, jetzt drängt die aufwühlende Gegenwart in meine Lieder. Ich bin kantiger geworden.
Das ist zu hören. Aber auch Trost. Ganz besonders etwa bei "Oh mein Gott ist weit". Wollen Sie Ihre Zuhörer trösten?
Ja, wahrscheinlich tröste ich. Aber ich tröste auch mich selbst. Alles um mich brennt. Ich muss der Feuerwehrmann sein. Gleichzeitig weiß ich, die Welt ist nicht nur schlecht. In mir ist auch Vertrauen gewachsen. Das will ich weitergeben. "Neuer Morgen" ist so ein Lied. Darin die Gewissheit, dass etwas Neues beginnt, alles gut werden kann.
Wie geht es Ihnen, wenn Sie an neuen Liedern arbeiten? Wie fühlen Sie sich da? Was sagt Ihre Frau, die ja am dichtesten dran ist?
Ich bin angespannt, öfter auch unleidlich. Auf die Frage wie sie damit umgeht, hat Malene mal gesagt, dass sie sich dafür entschieden hat, das auszuhalten. Jetzt, wo das neue Album raus ist, geht's mir wieder besser. Ich kann aufatmen und langsam wieder lachen.
Wer darf ein neues Lied zuerst hören - ist das Malene?
Das ist ein schwieriges Gelände. Ich bin da ziemlich gehemmt, nehme die Enttäuschung meistens lieber vorweg. Eigentlich will ich es garnicht vorsingen. Jeder bewertet so ein Lied ja anders, jeder hört etwas anderes. Am besten, es hört jemand, der nicht so nahe an mir dran ist. Am Ende ist es dann aber doch Malene, die neue Lieder als Erste hören darf.
Darf sie dann auch etwas dazu sagen?
Gewisse Sachen schon. Wobei ich das dann oft auch wieder gar nicht aushalte. Man stelle sich eine Szene von Loriot vor: Das kann durchaus tragisch-komisch werden bei uns (lacht).
Sie haben "Flügel" im August dieses Jahres in einem kleinen Münchner Studio aufgenommen zusammen mir Ihrer Band. Hatten Sie eine gute Zeit?
Das waren zehn wunderbare Tage, ein Glücksfall für mich. Von 9 bis 18 Uhr haben wir im Studio zusammengesessen und gearbeitet. Die Band und ich im Kreis. So wie ich mir das immer gewünscht habe. Dann ging es in den Biergarten. Dort gab's gutes Essen und Münchner Bier. Tagsüber haben wir also angestrengt gearbeitet und abends viel gelacht.
Dieses Jahr ist gleich zu Ende. Was wünschen Sie sich vom neuen?
Es soll besser werden, so viel steht fest. Da denke ich natürlich vor allem an das Weltgeschehen. Angesichts all dieser furchbaren Nachrichten, der Kriege, des Aufrüstens ist mir angst und bange. Aber auch für mich war 2023 ein hartes Jahr. Es ist nicht leicht, sich als Künstler durchzuschlagen. Und die Corona Zeit hat schon dazu geführt, dass ich Existenzängste hatte. Hinzu kommt das Älterwerden. Da springst du nicht einfach mehr so leicht und frei durch die Gegend. Da wird dir mehr und mehr bewusst, dass so viel Zeit nicht mehr bleibt. "Wer geht zuerst" ist so ein Lied, das ich seit Längerem im Kopf hab. Meine Frau und ich haben ja eine sehr symbiotische Beziehung. Da ist dieses Thema jetzt schon deutlich präsenter für mich.
Wen würden Sie gern noch treffen, mit wem gern noch arbeiten?
Jil Sander, die würde ich gern mal treffen. Wir würden uns angucken und uns freuen, beim jeweils anderen andere Dinge zu entdecken. Die Frau ist eine große Künstlerin und sie hat eine klare Haltung in ihrer Mode. Das gefällt mir. Van Morrison oder Bob Dylan hätte ich auch gern mal getroffen. Aber das schaffe ich wohl nicht mehr. Ich wäre dann wahrscheinlich eh zu schüchtern und würde die falschen Fragen stellen. Und Joni Mitchell, die hatte einen Schlaganfall...
Begonnen haben Sie Ihre Karriere als Schauspieler. Für die Rolles des Edgar Wibeau in Ulrich Plenzdorfs "Die neuen Leiden des jungen W." sind Sie vielfach ausgezeichnet worden. Würden Sie da gern noch mal anknüpfen?
Ja, ich würde gern mal wieder Schauspieler sein, in einem Film mitmachen. Natürlich nur, wenn das eine gute Geschichte ist, die da erzählt wird.
Wann und wo können wir Sie mit ihren neuen Liedern in Berlin erleben?
Silvesternachmittag wird es wieder eine Show im Festspielhaus am Potsdamer Platz geben. Und im kommenden Jahr sind wir im März in der Bar jeder Vernunft sowie ab November in der Philharmonie. Etliche Termine für eine Tour durch ganz Deutschland stehen ebenfalls schon fest. Weitere werden sicher dazukommen.
Sie werden also weitermachen. Glauben Sie, dass Kunst etwas bewirken kann?
Auf jeden Fall. Ich bin da ganz bei John Lennon. Den ich leider auch nie getroffen habe. Wie überhaupt keinen der Beatles, obwohl die für mich die Größten sind. Weil es die Beatles gab, kann die Welt so schlecht nicht sein, daran glaube ich ganz fest. Genau wie daran, dass Kunst ein Lebensmittel ist. Wer ihr begegnet, kann motiviert werden. Und sei es nur, in die Welt zu gehen, um dann festzustellen, dass es in der Mark Brandenburg doch am Schönsten ist. Als Künstler bin ich ahnungsvoll. Lösungen für all die Probleme der Welt habe ich allerdings auch nicht. Aber ich bin auf der Seite der Schwachen. Das war ich immer. Wobei ich mir manchmal wünschte, noch etwas stärker und mutiger zu sein.
Termine in Berlin: 31.12.2023, 15 Uhr, Komödie im Theater am Potsdamer Platz.
20.3.-24.3.2024, Bar jeder Vernunft; 27.11.2024, Berliner Philharmonie.
Die Rheinpfalz Nr. 280 vom 02.12.23
Rock/Pop
Klaus Hoffmann: Ein nachdenklicher Songpoet
Rock/Pop
Klaus Hoffmann: Ein nachdenklicher Songpoet
Während der Corona-Monate, das
streut Klaus Hoffmann in Inter-
views immer wieder ein, ist er in sei
nem alten Wagen im Berliner Um-
land umhergefahren und hat sich
seine alten Platten angehört. Wenn
er in diesen Tagen mit seiner neuen
CD „Flügel“ losdüst, dürfte ihn ein
Gefühl der Freude begleiten.
Denn seine 51. Veröffentlichung ist
sehr schön geworden. Hoffmann –
einer der größten deutschen Song-
poeten. Der 72-Jährige gibt sich be-
tont geerdet, „Flügel“ ist ein nach-
denkliches Album mit vielen Facet-
ten. Er widmet sich der Zeit nach der
Pandemie. Hoffmann erweist sich
einmal mehr als großer alter Roman-
tiker, er preist die Liebe. Der Berliner ist, na klar, ein unver-besserlicher Markenbotschafter seiner Stadt.
Nostalgisch schaut er zurück auf seine Jugend und streift mutig in zwei Liedern das Thema Krieg. Der gepriesene Jacques-Brel-Interpret singt diesmal Charles Aznavour. Berührend!
DAS ALBUM
— Klaus Hoffmann. „Flügel“, erschienen bei stille-music
streut Klaus Hoffmann in Inter-
views immer wieder ein, ist er in sei
nem alten Wagen im Berliner Um-
land umhergefahren und hat sich
seine alten Platten angehört. Wenn
er in diesen Tagen mit seiner neuen
CD „Flügel“ losdüst, dürfte ihn ein
Gefühl der Freude begleiten.
Denn seine 51. Veröffentlichung ist
sehr schön geworden. Hoffmann –
einer der größten deutschen Song-
poeten. Der 72-Jährige gibt sich be-
tont geerdet, „Flügel“ ist ein nach-
denkliches Album mit vielen Facet-
ten. Er widmet sich der Zeit nach der
Pandemie. Hoffmann erweist sich
einmal mehr als großer alter Roman-
tiker, er preist die Liebe. Der Berliner ist, na klar, ein unver-besserlicher Markenbotschafter seiner Stadt.
Nostalgisch schaut er zurück auf seine Jugend und streift mutig in zwei Liedern das Thema Krieg. Der gepriesene Jacques-Brel-Interpret singt diesmal Charles Aznavour. Berührend!
DAS ALBUM
— Klaus Hoffmann. „Flügel“, erschienen bei stille-music
Musicheadquarter.de, Internet Musikmagazin 26.11.23
Klaus Hoffmann wachsen neue Flügel
Klaus Hoffmann wachsen neue Flügel
Klaus Hoffmann "Flügel"
Unsere Wertung: 9 von 9 Punkten.
Klaus Hoffmann wachsen neue „Flügel“
Selbst der große Chansonnier unter den deutschen Liedermachern wird nicht jünger. 72 Jahre hat der Berliner Klaus Hoffmann schon auf dem Buckel. Und wie ein guter Wein wird er von Jahr zu Jahr besser. Seit Jahrzehnten irgendwie auf dem schmalen Grat zwischen Geheimtipp und Star. Die Alben nie so ganz weit vorn in den Charts, aber immer im Auge der Medien. Er singt Lieder von Jacques Brel, spielt mit Wortwitz und seiner Berliner Schnauze. Doch seit einigen Jahren schon werden die Alben schwermütiger und sehnsuchtsvoller. Man nehme das melancholische „Aquamarin“ aus dem Jahr 2018 und die wundervolle Magie von „Septemberherz“ im Jahr 2020.
Auch das neue Album „Flügel“ bietet eine eigene musikalische Mixtur aus Pop, Jazz und akustischem Folk, gepaart mit feinen Streicherarrangements. Da findet sich eine Reihe von sanften Juwelen im Songwriting, mal mit akustischer Gitarre, mal am Piano begleitet. Die Texte folgen dem Puls der Zeit. „Neuer Morgen“ versprüht noch Optimismus und „Kinder“ baut auf die nachfolgende Generation, doch „Bin nicht Meer, bin nicht Strand“ liefert Erinnerungen an die Nachkriegszeit und einen verzweifelten Blick auf den Krieg in der Ukraine.
Für Hoffmannsche Verhältnisse ist es ein lautes Album. Laut auch in den Texten. Texte die sich, selbst wenn sie Unterschiedliches benennen, aufeinander beziehen, ergänzen und verstärken – wie Ying und Yang. „Kein Held“ liefert ein beschwingtes Arrangement zu bedrückenden lyrischen Zeilen. Der Protagonist weiß, was es heißt, fremdbestimmt in Konflikte geschickt zu werden, welche nicht die eigenen sind.
Da ist der Jüngere, 20-Jährige, der sich naiv und arrogant eine Welt erfand („Ich versuch’s“), und den dennoch oder gerade deshalb so viel mit dem fragenden und vertrauenden Älteren („Was machst Du mit dem Rest dieser Zeit“) eint. Einem Älteren, dem aller vergeblichen Sehnsucht zum Trotz, gerade deshalb die Hoffnung innewohnt („Im nächsten Sommer sehen wir uns wieder“). Und dennoch steht über allem der Klaus Hoffmann der Gegenwart. Hoffmann, der spürt, wenn eine zweite Singstimme der atmosphärischen Tiefe eines Liedes dienlich ist: Caroline von Brünken auf „Oh mein Gott ist weit“.
Hoffmann hatte sich immer stilistisch dem Chanson verschrieben. Auch hier stehen zwei Songs von Charles Aznavour und Michel Legrand Pate, denen er einen deutschen Text verliehen hat. So klingt er meist wie der Barpianist von nebenan. Doch es gibt auch südländische Klänge wie bei „Was dir dein Herz erzählt“. Und die Streicherarrangements in vielen Stücken klingen lieblich und durchdringend zugleich.
„Flügel“ wird im Promotext als 50. Album des Berliners beworben. Müde klingt er jedenfalls nicht. Vielmehr erweist Klaus Hoffmann sich als großer Geschichtenerzähler und feinsinniger Beobachter. Die Welt zeigt ihren verstörenden Charakter – seine Lieder aber tragen immer einen Hauch Zuversicht in sich. Bleibt zu hoffen, dass er Recht hat und uns noch lange mit solch schönen Alben beglückt.
Unsere Wertung: 9 von 9 Punkten.
Klaus Hoffmann wachsen neue „Flügel“
Selbst der große Chansonnier unter den deutschen Liedermachern wird nicht jünger. 72 Jahre hat der Berliner Klaus Hoffmann schon auf dem Buckel. Und wie ein guter Wein wird er von Jahr zu Jahr besser. Seit Jahrzehnten irgendwie auf dem schmalen Grat zwischen Geheimtipp und Star. Die Alben nie so ganz weit vorn in den Charts, aber immer im Auge der Medien. Er singt Lieder von Jacques Brel, spielt mit Wortwitz und seiner Berliner Schnauze. Doch seit einigen Jahren schon werden die Alben schwermütiger und sehnsuchtsvoller. Man nehme das melancholische „Aquamarin“ aus dem Jahr 2018 und die wundervolle Magie von „Septemberherz“ im Jahr 2020.
Auch das neue Album „Flügel“ bietet eine eigene musikalische Mixtur aus Pop, Jazz und akustischem Folk, gepaart mit feinen Streicherarrangements. Da findet sich eine Reihe von sanften Juwelen im Songwriting, mal mit akustischer Gitarre, mal am Piano begleitet. Die Texte folgen dem Puls der Zeit. „Neuer Morgen“ versprüht noch Optimismus und „Kinder“ baut auf die nachfolgende Generation, doch „Bin nicht Meer, bin nicht Strand“ liefert Erinnerungen an die Nachkriegszeit und einen verzweifelten Blick auf den Krieg in der Ukraine.
Für Hoffmannsche Verhältnisse ist es ein lautes Album. Laut auch in den Texten. Texte die sich, selbst wenn sie Unterschiedliches benennen, aufeinander beziehen, ergänzen und verstärken – wie Ying und Yang. „Kein Held“ liefert ein beschwingtes Arrangement zu bedrückenden lyrischen Zeilen. Der Protagonist weiß, was es heißt, fremdbestimmt in Konflikte geschickt zu werden, welche nicht die eigenen sind.
Da ist der Jüngere, 20-Jährige, der sich naiv und arrogant eine Welt erfand („Ich versuch’s“), und den dennoch oder gerade deshalb so viel mit dem fragenden und vertrauenden Älteren („Was machst Du mit dem Rest dieser Zeit“) eint. Einem Älteren, dem aller vergeblichen Sehnsucht zum Trotz, gerade deshalb die Hoffnung innewohnt („Im nächsten Sommer sehen wir uns wieder“). Und dennoch steht über allem der Klaus Hoffmann der Gegenwart. Hoffmann, der spürt, wenn eine zweite Singstimme der atmosphärischen Tiefe eines Liedes dienlich ist: Caroline von Brünken auf „Oh mein Gott ist weit“.
Hoffmann hatte sich immer stilistisch dem Chanson verschrieben. Auch hier stehen zwei Songs von Charles Aznavour und Michel Legrand Pate, denen er einen deutschen Text verliehen hat. So klingt er meist wie der Barpianist von nebenan. Doch es gibt auch südländische Klänge wie bei „Was dir dein Herz erzählt“. Und die Streicherarrangements in vielen Stücken klingen lieblich und durchdringend zugleich.
„Flügel“ wird im Promotext als 50. Album des Berliners beworben. Müde klingt er jedenfalls nicht. Vielmehr erweist Klaus Hoffmann sich als großer Geschichtenerzähler und feinsinniger Beobachter. Die Welt zeigt ihren verstörenden Charakter – seine Lieder aber tragen immer einen Hauch Zuversicht in sich. Bleibt zu hoffen, dass er Recht hat und uns noch lange mit solch schönen Alben beglückt.
Aachener Zeitung 17.11.23
Neue Alben der Woche
Flügel der Sehnsucht, verruchte Chansons und federleichte Vokalisen
Neue Alben der Woche
Flügel der Sehnsucht, verruchte Chansons und federleichte Vokalisen
Man muss sich nicht alles anhören, was an Musik erscheint. Es gibt aber Alben, denen sollte man aus unterschiedlichen Gründen Gehör schenken. Unsere Auswahl der Woche.
VON MICHAEL LOESL
Klaus Hoffmann: „Flügel“
14 neue Stücke hat der Berliner Lebenschronist und Musiker Klaus Hoffmann für sein 50. Album geschrieben. Die nahm er wie gewohnt mit einer Reihe von Instrumentalisten-Exzellenzen auf, deren Fingerspitzengefühle das Chanson schwingend-unbeschwert mit Jazz-Harmonien veredeln. Hoffmann selbst ist hingegen inhaltlich frisch auf der Flucht vor dem Stelldichein zwischen Rente und Nostalgie, in dem etliche seiner Altersgenossen begriffen sind und ihre Kreise ziehen. Frankreich, Aznavour und das Mittelmeer lassen ihm dabei Flügel der Sehnsucht wachsen. Freiheit, das wär’s! Aber wohin damit, wenn die Haltegriffe fehlen? Der 72-jährige Songwriter sagt: „Ich versuch’s“. Gemeint ist der Traum vom Biegen des Horizonts und vom Kitten der Risse, die die Liebe geschlagen hat, mit Liedern. Die werden dank farbenprächtiger Arrangements und Hoffmanns Erzählkunst schnell zu Wegbegleitern fürs Leben. Echte Freunde schrecken ja auch nicht vorm Blick in der Untiefen der Seele zurück. (ML)
Klaus Hoffmann: „Flügel“
14 neue Stücke hat der Berliner Lebenschronist und Musiker Klaus Hoffmann für sein 50. Album geschrieben. Die nahm er wie gewohnt mit einer Reihe von Instrumentalisten-Exzellenzen auf, deren Fingerspitzengefühle das Chanson schwingend-unbeschwert mit Jazz-Harmonien veredeln. Hoffmann selbst ist hingegen inhaltlich frisch auf der Flucht vor dem Stelldichein zwischen Rente und Nostalgie, in dem etliche seiner Altersgenossen begriffen sind und ihre Kreise ziehen. Frankreich, Aznavour und das Mittelmeer lassen ihm dabei Flügel der Sehnsucht wachsen. Freiheit, das wär’s! Aber wohin damit, wenn die Haltegriffe fehlen? Der 72-jährige Songwriter sagt: „Ich versuch’s“. Gemeint ist der Traum vom Biegen des Horizonts und vom Kitten der Risse, die die Liebe geschlagen hat, mit Liedern. Die werden dank farbenprächtiger Arrangements und Hoffmanns Erzählkunst schnell zu Wegbegleitern fürs Leben. Echte Freunde schrecken ja auch nicht vorm Blick in der Untiefen der Seele zurück. (ML)
HÖR ZU und GONG NR. 47, Unterhaltung/die wichtigsten Neuheiten auf einen Blick
Klaus Hoffmann - Flügel
LIEDER Poesie und Protest, Traurigkeit und Tanz - bei Klaus Hoffmann passt alles wunderbar. Der Liedermacher ist mit 72 Jahren auf der Höhe seiner Kreativität. Lebenserfahrung kombiniert er mit musikalischer Souveränität und textlicher Reife zu einer melancholischen Melange, die berührt. Verzückend.
MUCKE UND MEHR, Online Magazin
CD-Rezension "Flügel", Klaus Hoffmann
CD-Rezension "Flügel", Klaus Hoffmann
Liedermacher Klaus Hoffmann beschert auf “Flügel” gewohnt gute Stücke über Aufbruch, Liebe und Melancholie
verfasst von Tobi 3. November 2023
Wenn Klaus Hoffmann am 17. November 2023 seinen neuen Longplayer “Flügel” veröffentlicht, dann handelt es sich hierbei um sein sage und schreibe 50. Album. Aus seinem seit 2008 gewohnten Rhythmus, alle zwei Jahre ein Studioalbum heraus zu bringen und in den Jahren dazwischen stets einen dazugehörigen Livemitschnitt, hat ihn die Pandemie allerdings gebracht.
Im Oktober 2018 schloss Klaus Hoffmann mit seinem Album “Aquamarin” eine Trilogie ab, die mit “Sehnsucht” 2014 begann und mit “Leisen Zeichen” 2016 fortgesetzt wurde. Mit “Septemberherz” legte er dann im Herbst 2020 inmitten aller Corona-Beschränkungen zwar einen weiteren Longplayer vor, live ging hier erst einmal aber natürlich gar nichts und dann nur in kleinem Rahmen. Die Tour zog sich mit Verschiebungen sogar bis ins Jetzt, wo er gerade noch die letzten Konzerte gibt (lies unseren Bericht aus Leverkusen), weswegen es diesmal auch keinen Mitschnitt gab und Hoffmann lieber an neuen Stücken arbeitete.
Klaus Hoffmann (Foto: © Malene)
Diese liegen nun vor, drei Jahre nach “Septemberherz”, mit den 14 Liedern auf den 46 Minuten des neuen Albums “Flügel”. Klaus Hoffmann bleibt sich natürlich treu und bietet wieder abwechslungsreiche, teilweise chansoneske angelegte Lieder mit stets ansprechenden Texten über das Leben und die Liebe, wobei er über sich und seine Erfahrungen und Gefühle singt, man sich aber häufig wiedererkennen kann, und die Liebe ist nicht immer nur die zwischen zwei Menschen, sondern auch sinnbildlich und humanistisch gemeint.
Ein “Flügel” betiteltes Lied findet man nicht, aber diese stehen wohl sinnbildlich für eine gewisse Aufbruchsstimmung, die hin und wieder durchklingt und die man in der Pandemie ja auch so sehr brauchte, um Hoffnung und Kraft nicht zu verlieren. Im eröffnenden, beschwingten “Neuer Morgen” singt Hoffmann über Segel, die er setzen möchte, “Im nächsten Sommer sehen wir uns wieder” freut sich auf freudige kommende Treffen mit Musik und einem Gläschen Wein, und im getragenen “So fängt es an” geht es auch darum, anfängliches, flügellahmes Empfinden zu überwinden, sich zu öffnen und zu entwickeln.
Wie immer fließt hin und wieder Melancholie ein, aber nie aufsteckend oder allzu niedergeschlagen, denn Hoffnung gibt es immer. “Kinder” preist die Unbeschwertheit der Kleinen auch in für Erwachsene fordernden Zeiten, und das jazzig sanfte “Was machst du mit dem Rest deiner Zeit” – Interpretation eines Titels von Michel Legrand aus dem Film “Happy End für eine Ehe” – schaut auch im Alter noch auf kommende gute Tage und die Kraft einer gesunden Liebe. Diese beseelt auch das schöne, seicht groovige “Du und ich” und steht im Mittelpunkt des dann doch traurig anmutenden “Vergiss mich”, wobei es hier um den Abschied von einer geliebten, weg ziehenden Person geht. Hier wie auch beim Glauben in orientierungslosen Zeiten thematisierenden “Oh mein Gott ist weit” singt Caroline von Brünken als ergänzende Stimme mit Hoffmann, was gut passt.
Wie gewohnt erzählt Hoffmann aus dem Leben und wird hierbei nicht groß politisch, dafür gibt es andere. Aber natürlich geht die heutige Zeit auch an seinen Stücken nicht vorbei, fließt die schlimme Situation in der Ukraine in “Bin nicht Meer, bin nicht Strand” mit ein und handelt “Kein Held” doch von Soldaten, die ohne es zu wollen in den Krieg ziehen müssen. Berlin hingegen, die so oft schon thematisierte, geliebte Heimatstadt, spielt diesmal keine besondere Rolle in den Texten, auch wenn im gutgelaunten “Was dir dein Herz erzählt” kurz “meine Stadt” erwähnt wird.
Nicht vergessen werden darf die schöne Ballade “Ich versuchs” als Interpretation des Stücks “Hier encore” vom 2018 verstorbenen Charles Aznavour und als Rückblick auf ein jüngeres, damals noch naives Ich mit 20 Jahren. Und abschließend gibt es noch das berührende “Manchmal” in einer Demoversion, das er im Booklet der im März verstorbenen Antje Vollmer widmet, von der er 2005 eine Lesung musikalisch begleitete und mit der ihn seine Karriere immer wieder mal zusammen führte.
Das Album wurde ansonsten innerhalb nur einer Woche im August im Münchener Weryton Studio mit Hawo Bleich (Klavier, Keyboard), Micha Brandt (Gitarren) und den Brüdern Peter (Bass) und Walter Keiser (Schlagzeug) eingespielt, nach Corona also wieder zusammen in einem Raum und in kurzer Zeit, was dem von Hoffmann selbst produzierten und erneut von Berthold Weindorf abgemischten Album etwas Flair eines Liveauftritts verleiht und eine gute Atmosphäre spüren lässt.
Der 1951 in Berlin geborene Liedermacher, der auch als Schauspieler und Autor aktiv war, wird auch mit 72 Jahren nicht müde und erfreut seine treuen Fans erneut mit Liedern, die sich wunderbar anhören lassen und bei denen man sich schon freut, sie dann 2024 irgendwann live erleben zu können. Dass hier dann sogar eine Tournee mit Orchester diskutiert wird, kann man in unserem Interview mit Klaus Hoffmann ebenso erfahren wie vieles mehr zum neuen Album und seinen Gedanken zur Zeit.
Hier die letzten Termine von Klaus Hoffmanns “Septemberherz”-Tour, jeweils begleitet von Hawo Bleich am Flügel- Tickets gibt es z.B. hier bei Eventim (Partnerlink):
27.10.2023 München, Lustpielhaus
16.11.2023 Pforzheim, Kulturhaus Osterfeld (Ersatztermin für 20.04.23)
17.11.2023 Baden-Baden, Kurhaus Baden-Baden (Ersatztermin für 19.04.23)
18.11.2023 Mainz, Frankfurter Hof
26.11.2023 Berlin, Bar Jeder Vernunft
Zusätzlich gibt Klaus Hoffmann, ebenfalls begleitet von Hawo Bleich am Flügel, unter dem Motto “Ein Nachmittag mit Klaus Hoffmann” noch ein Silvesterkonzert am 31. Dezember 2023 um 15 Uhr in Berlin in der Komödie am Kudamm im Theater am Potsdamer Platz, bei dem er “aus seinen schönsten Liedern” singt.
Und ein erstes Konzert zu “Flügel” ist in der Auftrittsliste auf Klaus Hoffmanns Website auch bereits zu finden, am 7. April 2024 im Dresdener Staatsschauspiel (Kleines Haus), begleitet von Hawo Bleich am Flügel.
stille-music.de
Bewertung: 8 von 10 Punkten
verfasst von Tobi 3. November 2023
Wenn Klaus Hoffmann am 17. November 2023 seinen neuen Longplayer “Flügel” veröffentlicht, dann handelt es sich hierbei um sein sage und schreibe 50. Album. Aus seinem seit 2008 gewohnten Rhythmus, alle zwei Jahre ein Studioalbum heraus zu bringen und in den Jahren dazwischen stets einen dazugehörigen Livemitschnitt, hat ihn die Pandemie allerdings gebracht.
Im Oktober 2018 schloss Klaus Hoffmann mit seinem Album “Aquamarin” eine Trilogie ab, die mit “Sehnsucht” 2014 begann und mit “Leisen Zeichen” 2016 fortgesetzt wurde. Mit “Septemberherz” legte er dann im Herbst 2020 inmitten aller Corona-Beschränkungen zwar einen weiteren Longplayer vor, live ging hier erst einmal aber natürlich gar nichts und dann nur in kleinem Rahmen. Die Tour zog sich mit Verschiebungen sogar bis ins Jetzt, wo er gerade noch die letzten Konzerte gibt (lies unseren Bericht aus Leverkusen), weswegen es diesmal auch keinen Mitschnitt gab und Hoffmann lieber an neuen Stücken arbeitete.
Klaus Hoffmann (Foto: © Malene)
Diese liegen nun vor, drei Jahre nach “Septemberherz”, mit den 14 Liedern auf den 46 Minuten des neuen Albums “Flügel”. Klaus Hoffmann bleibt sich natürlich treu und bietet wieder abwechslungsreiche, teilweise chansoneske angelegte Lieder mit stets ansprechenden Texten über das Leben und die Liebe, wobei er über sich und seine Erfahrungen und Gefühle singt, man sich aber häufig wiedererkennen kann, und die Liebe ist nicht immer nur die zwischen zwei Menschen, sondern auch sinnbildlich und humanistisch gemeint.
Ein “Flügel” betiteltes Lied findet man nicht, aber diese stehen wohl sinnbildlich für eine gewisse Aufbruchsstimmung, die hin und wieder durchklingt und die man in der Pandemie ja auch so sehr brauchte, um Hoffnung und Kraft nicht zu verlieren. Im eröffnenden, beschwingten “Neuer Morgen” singt Hoffmann über Segel, die er setzen möchte, “Im nächsten Sommer sehen wir uns wieder” freut sich auf freudige kommende Treffen mit Musik und einem Gläschen Wein, und im getragenen “So fängt es an” geht es auch darum, anfängliches, flügellahmes Empfinden zu überwinden, sich zu öffnen und zu entwickeln.
Wie immer fließt hin und wieder Melancholie ein, aber nie aufsteckend oder allzu niedergeschlagen, denn Hoffnung gibt es immer. “Kinder” preist die Unbeschwertheit der Kleinen auch in für Erwachsene fordernden Zeiten, und das jazzig sanfte “Was machst du mit dem Rest deiner Zeit” – Interpretation eines Titels von Michel Legrand aus dem Film “Happy End für eine Ehe” – schaut auch im Alter noch auf kommende gute Tage und die Kraft einer gesunden Liebe. Diese beseelt auch das schöne, seicht groovige “Du und ich” und steht im Mittelpunkt des dann doch traurig anmutenden “Vergiss mich”, wobei es hier um den Abschied von einer geliebten, weg ziehenden Person geht. Hier wie auch beim Glauben in orientierungslosen Zeiten thematisierenden “Oh mein Gott ist weit” singt Caroline von Brünken als ergänzende Stimme mit Hoffmann, was gut passt.
Wie gewohnt erzählt Hoffmann aus dem Leben und wird hierbei nicht groß politisch, dafür gibt es andere. Aber natürlich geht die heutige Zeit auch an seinen Stücken nicht vorbei, fließt die schlimme Situation in der Ukraine in “Bin nicht Meer, bin nicht Strand” mit ein und handelt “Kein Held” doch von Soldaten, die ohne es zu wollen in den Krieg ziehen müssen. Berlin hingegen, die so oft schon thematisierte, geliebte Heimatstadt, spielt diesmal keine besondere Rolle in den Texten, auch wenn im gutgelaunten “Was dir dein Herz erzählt” kurz “meine Stadt” erwähnt wird.
Nicht vergessen werden darf die schöne Ballade “Ich versuchs” als Interpretation des Stücks “Hier encore” vom 2018 verstorbenen Charles Aznavour und als Rückblick auf ein jüngeres, damals noch naives Ich mit 20 Jahren. Und abschließend gibt es noch das berührende “Manchmal” in einer Demoversion, das er im Booklet der im März verstorbenen Antje Vollmer widmet, von der er 2005 eine Lesung musikalisch begleitete und mit der ihn seine Karriere immer wieder mal zusammen führte.
Das Album wurde ansonsten innerhalb nur einer Woche im August im Münchener Weryton Studio mit Hawo Bleich (Klavier, Keyboard), Micha Brandt (Gitarren) und den Brüdern Peter (Bass) und Walter Keiser (Schlagzeug) eingespielt, nach Corona also wieder zusammen in einem Raum und in kurzer Zeit, was dem von Hoffmann selbst produzierten und erneut von Berthold Weindorf abgemischten Album etwas Flair eines Liveauftritts verleiht und eine gute Atmosphäre spüren lässt.
Der 1951 in Berlin geborene Liedermacher, der auch als Schauspieler und Autor aktiv war, wird auch mit 72 Jahren nicht müde und erfreut seine treuen Fans erneut mit Liedern, die sich wunderbar anhören lassen und bei denen man sich schon freut, sie dann 2024 irgendwann live erleben zu können. Dass hier dann sogar eine Tournee mit Orchester diskutiert wird, kann man in unserem Interview mit Klaus Hoffmann ebenso erfahren wie vieles mehr zum neuen Album und seinen Gedanken zur Zeit.
Hier die letzten Termine von Klaus Hoffmanns “Septemberherz”-Tour, jeweils begleitet von Hawo Bleich am Flügel- Tickets gibt es z.B. hier bei Eventim (Partnerlink):
27.10.2023 München, Lustpielhaus
16.11.2023 Pforzheim, Kulturhaus Osterfeld (Ersatztermin für 20.04.23)
17.11.2023 Baden-Baden, Kurhaus Baden-Baden (Ersatztermin für 19.04.23)
18.11.2023 Mainz, Frankfurter Hof
26.11.2023 Berlin, Bar Jeder Vernunft
Zusätzlich gibt Klaus Hoffmann, ebenfalls begleitet von Hawo Bleich am Flügel, unter dem Motto “Ein Nachmittag mit Klaus Hoffmann” noch ein Silvesterkonzert am 31. Dezember 2023 um 15 Uhr in Berlin in der Komödie am Kudamm im Theater am Potsdamer Platz, bei dem er “aus seinen schönsten Liedern” singt.
Und ein erstes Konzert zu “Flügel” ist in der Auftrittsliste auf Klaus Hoffmanns Website auch bereits zu finden, am 7. April 2024 im Dresdener Staatsschauspiel (Kleines Haus), begleitet von Hawo Bleich am Flügel.
stille-music.de
Bewertung: 8 von 10 Punkten
MUCKE UND MEHR, Online Magazin
Liedermacher Klaus Hoffmann im Interview zu seinem 50. Album "Flügel" und vielem mehr (10/23)
Liedermacher Klaus Hoffmann im Interview zu seinem 50. Album "Flügel" und vielem mehr (10/23)
Liedermacher Klaus Hoffmann im Interview zu seinem 50. Album “Flügel” und vielem mehr (10/23)
verfasst von Tobi 3. November 2023
Wenn Klaus Hoffmann am 17. November 2023 seinen neuen Longplayer “Flügel” veröffentlicht, dann handelt es sich hierbei um sein sage und schreibe 50. Album. Die Pandemie brachte den inzwischen 72-jährigen Berliner Liedermacher, der auch als Schauspieler und Autor aktiv war, zwar aus seinem üblichen Rhythmus, seiner Musik hat sie aber nicht schaden können, und so wissen auch die 14 neuen, abwechslungsreichen Stücke mit ansprechenden Texten über Aufbruch, Liebe und das Leben wieder zu überzeugen, mal beschwingt, mal von Melancholie geprägt – lies unsere Rezension zum neuen Album hier.
Klaus Hoffmann "Flügel"Jetzt bestellen bei Amazon.de
Auch wenn das neue Album “Flügel” endlich wieder zusammen in Bandbesetzung in einem Raum eingespielt werden konnte, in nur einer intensiven Woche zusammen realisiert, ist Klaus Hoffmann gerade noch dabei, die Tour zur 2020er-Scheibe “Septemberherz” mit einigen Nachholterminen in kleiner Besetzung abzuschließen, begleitet nur von Hawo Bleich. Vor seinem Konzert in Leverkusen am 20. Oktober (lies unseren Livebericht hier), bei dem er wie immer durch zahlreiche Anekdoten zwischen den Liedern auch für viele heitere Momente sorgte, nutzten wir die Chance, den symphatischen und bodenständigen Künstler zu treffen und das allererste Interview zum neuen Longplayer zu führen, in dem es aber auch um viele andere Themen ging.
Klaus Hoffmann (Foto: © Malene)
“In der Coronazeit habe ich aus Lust und aus Liebe gesagt, dass wir auch für 40 Leute spielen, nicht weil ich da viel Geld verdienen würde, sondern weil das die alte Leidenschaft war. Du fehlst mir einfach, ich muss dich ansingen – selbst maskiert.”
MUM: Klaus, heute habe ich ein altes Interview von dir gelesen, in dem du vor etwa 20 Jahren gesagt hast, du hättest Angst, dass dir die Zeit wegrennt.
KH: Echt? Damals schon…
MUM: Das ist doch aber vermutlich einem guten Gefühl gewichen, wenn du jetzt weißt, dass du 20 Jahre später nach wie vor auf der Bühne stehst und die Leute kommen.
KH: Das finde ich enorm, wenn du das trennen kannst und dich damit vor etwas anderem beruhigen kannst – dann ist das toll. Mein Publikum ist an sich das, um was es dann geht. Um diesen Typen mit seinen Liedern, aber dass die da sind, und die sind ja alle auch so alt wie ich oder einen Tick jünger.
MUM: Und die kommen ja immer wieder.
KH: Aber du hast ja eben was angesprochen, dass mich das irgendwie beruhigen müsste oder so. Nee, ab einem gewissen Alter bin ich froh, dass ich das mache, aber ich glaube mir nur, wenn ich’s mir glaube, das heißt da ist dieser Mensch, der vor vielen Jahren mit der Gitarre anfing und so spinnerte Ideen im Kopp hatte – ich folge meinen Füßen, ich folge mir da auch und bin distanziert und will sehen, was er dann noch so verzapft. Wenn das stimmt und echt ist, dann ist das gut.
MUM: Und solange die Ideen nicht ausgehen, ist das doch auch gut.
KH: Die meisten denken immer, das sind Ideen und so. Es gibt einen schönen Film, die “Blues Brothers”, da sagen sie “es passiert im Namen des Herrn”, und diesen Spruch fand ich einfach sehr interessant, weil er so eine Distanz schafft. Aus welchem Grund machst du das, was du ein Leben lang machst? Und wenn du überlegst, dass wir uns nur für eine begrenzte Zeit sehen und treffen, Leute werden krank und älter, oder sterben, dann musst du langsam mal rausfinden “Warum ist das so passiert?”. Ich habe ja mal angefangen in Clubs, so wie hier, dann wurde ich durch Zufall ein Schauspieler, der noch ein Stipendium bekam, und hab vom Handwerk alles gelernt. Aber ich war so ein spinnerter Typ mit so eigenartigen Texten, die damals überhaupt nicht en vogue waren, unpolitisch oder nicht greifbar konkret einzuordnen in eine Richtung – das war ja immer mein großes Problem. Mit der Zeit hab ich’s gelernt. Ich hab einfach gelernt, dieser Figur oder diesem Typen, der sich seine Texte und seine Musik selber schreibt und dann noch Schauspieler ist, immer mehr Raum in Bühnenarbeit zu geben. Da liegt meine große Erfüllung, dass ich dich ansinge, aber auch nicht genau weiß, was du an mir findest. Diese schrägen Lieder wie “Blinde Katharina” und so, das war ja alles deswegen auch so zufällig gut, weil ich da nicht viel nachdachte. Ich bin durch den Kiez gegangen und hab gedacht “Ich schreib jetzt nen Hit”. Ich war bei der RCA, und da konnte man noch Singles machen, aber ich wusste gar nicht wie. Ich hab ‘ne Wohnung gehabt für 100 Mark mit einem Zimmer und ‘nem Zen-Garten. Zen-Buddhist war ich zu der Zeit, und dann habe ich “Blinde Katharina” glaube ich in so drei Stunden runtergerotzt. Diese Naivität, das war schon toll.
MUM: Hat sich der Prozess des Musikmachens mit dem Älterwerden für dich sehr viel geändert?
KH: Sagen wir mal so: Meine Jugend hat spät begonnen, und ich fange wieder an, so naiv zu versuchen, aber es gelingt mir nicht, weil ich blöderweise klüger geworden bin und kenne ja das Spiel. Aber es ist toll. Hawo, mein Begleiter und Pianist, hilft oft, weil er von außen rangeht wie ein blinder Fisch. Da muss ich sehr schnell auf den Punkt kommen, und dieses Schnelle obliegt meiner Ungeduld. Deswegen improvisiere ich auch gerne noch auf der Bühne, aber das Besteck muss da sein, als Sicherheitsanker. Ich werde nie wieder 15 sein können. Ich fand die Lieder auch gar nicht gut, diesen “Feuervogel” und so. Das beste fand ich, dass ich so verkleistert schrieb wie einer aus dem Osten, die hatten so eine Meta-Sprache – “du könntest mich dabei erwischen, dass ich die Wahrheit sage, und dann komme ich in den Knast”. Daraus entwickelte ich etwas, wo ja keiner reinkam und sagte “das kannst du, das solltest du weiter machen”. Und die Chance war in den 70ern, dass ich ein paar depperte Geschäftspartner in den Plattenfirmen hatte, die an mich glaubten, weil ich auch gleich unglaublich viele Platten verkaufte. Der Georg Baum, ein amerikanischer Jude, hat sich wirklich darin verliebt, der hat Dinge gesehen, die ich damals nicht verstand. Diese ganzen Traurigkeiten, die ich hatte, diesen Pathos. Diese komische Stimme, die knatterte da so rum – ich konnte das einfach nicht besser, und das war toll. Aber dadurch konnte ich es weiter machen und glaubte dann immer mehr an mich. Es ist gut, wenn du von dieser Seite im Geschäft jemanden hast, der dich bejaht und unterstützt.
MUM: Ist es heute schwieriger, Musik zur Unterhaltung zu machen bei all den Themen, die es in der Welt gibt?
KH: Wenn du deutsches Fernsehen siehst, dann siehst du ja vieles zwischen Arztserien und “Tatort”. Wo ist das gut, wo schlecht, wie ist das aufgeteilt? Dann gibt es Silbereisen und diese Menge an Schlager, die einen Platz einnehmen, und Roland Kaiser und dies und jenes, jetzt mal ganz ohne Wertung. Da ist es schwer, wenn so verrückte Typen reingehen, die finden kaum ein Forum. Vielleicht ein Mädchen, das romantisch daher kommt, Françoise Hardy zur Gitarre, sowas ist immer ein Garant, denn die Plattenleute, die unter Druck sind, heute kaum noch Platten zu verkaufen, wollen zeigen, dass sie das alles mitmachen wollen. Das ist schwer. Es kommt immer einer an mit einer Gitarre und will dir was erzählen. Du musst einfach diesen Drang haben, die Welt auseinanderzunehmen mit deinem komischen Lied. Die Vorgänge sind bei allen Kollegen, die ich bisher kannte, ähnlich: Es knallt nach oben, dann gehst du durch so Täler, dann fehlt Publikum, es kommen Krisen. Geld spielt eine große Rolle – ich bin ja sehr selbstständig mit meiner kleinen Firma. Dann kommt dein Leben noch, mit Krankheiten und so. Trotzdem gibt’s dann Leute wie Cocker, da musst du dich fragen, wieso hat der gesungen? Bei Jacques Brel kann man das verstehen, da sieht man einen Dichter, einen Belgier der auf die Marquesas will, der folgt diesem François Villon Weg. Bei Reinhard Mai siehst du das – wenn der stirbt, dann werden alle sagen, Goethe wäre gestorben. Das ist so vorgeprägt. Und wenn du dann fragst, ob die Träumer, die nicht mal rebellisch sein müssen, eine Chance haben, Bettina Wegner, die dann ein Glück sagte “Sind so kleine Hände” und einen Hit hatte, die haben heute kaum eine Chance. Aber das gehört sich auch so, dann müssen sie den Arsch hochkriegen und es selber machen.
MUM: Du fängst deine Konzerte immer an mit dem Spruch “So viele Gesichter, die ich überhaupt nicht kenne”, was ja nicht stimmt, wie du weißt. Du kannst ja froh sein, dass du eine Fangemeinde hast, bei der du schon sehr von deinem Stil abweichen müsstest, um sie zu verlieren.
KH: In der Coronazeit habe ich aus Lust und aus Liebe gesagt, dass wir auch für 40 Leute spielen, nicht weil ich da viel Geld verdienen würde, sondern weil das die alte Leidenschaft war. Du fehlst mir einfach, ich muss dich ansingen – selbst maskiert. Meine ganzer Werdegang ist der, um zu werden, der ich bin.
MUM: Würdest du dich freuen, manchmal jüngeres Publikum zu sehen?
KH: Das kommt auch, aber was bedeutet das, ob die nun jung oder alt sind? Gestern in Koblenz sagte mir eine Frau beim Signieren, sie habe mich begleitet seit “Die neuen Leiden des jungen W.” [Anmerkung: der Verflimung mit Hoffmann aus dem Jahr 1976]. Das ist schon bedeutsam. Ich kneife ja oft auch bei so einer Dichte. Ich gebe zwar vor “komm mir bloß nahe”, meine im Grunde aber “bleib mir bloß fern”. Junge Leute, hmm – ich glaube, ich drücke mich noch vor so einem Schritt, den Wecker zum Beispiel viel öfter gemacht hat, in so einer Radikalität eine Meinung zu haben für etwas, wo ich eher der Meinung bin, dass man vieles auch nicht immer sagen muss. Das ist ein inneres Gehäuse an Poesie, da bin ich Patty Smith näher als vielleicht einem politischen Lied oder so, und da gehen die Jungen im Moment natürlich genauso wirr herum, haben dann aber ja andere, einen Bendzko oder so.
MUM: Du gehst aber ja auch ganz bewusst nicht in die Richtung der Jüngeren, hast keine Social-Media-Kanäle, machst so gut wie keine Videos, um Songs zu begleiten. Weil du es nicht möchtest?
KH: Möchte ich schon. Wir machen es ja manchmal, aber weil ich vom Bild komme, vom Schauspielern, möchte ich es am liebsten autorenhaft haben. Das ist mir sonst zu wenig, ich möchte das als Geschichte noch größer machen. Jetzt das neue Album ist einfach ein Glücksfall, und da würde ich schon gerne ein Video machen. Ich bin erpicht zu sehen, wie es ankommt, wie wir es platzieren uns so.
MUM: Wenn du dir einen Song herauspicken würdest aus dem Album, der so dein Kernsong ist, du vielleicht ein Video machen würdest, welcher wäre das?
KH: Das ist so eine Sache. Da gibt es so ein pathetisches Lied von Aznavour und so, das kann man schneller spielen. Da würdest du mich fragen, warum denn nun gerade dieses, aber da kann ich mehr in die Maske gehen. Aber da gibt es auch ganz kleine Lieder. Ich muss erst einmal sagen, dass ich dieses Album liebe, mehr, als ich wahrscheinlich in einem halben Jahr sagen werde, wegen dieser ganzen Maschinerie, die da losgeht und wo dann jeder erzählt, wie er es findet. Das erste Lied war “Bin nicht Meer, bin nicht Strand”, eigenartiges Lied, habe ich mir abgebrochen vor zwei Jahren. Ich wusste nur, ich möchte was über diesen Jungen singen in dieser Nachkriegszeit, und jetzt die Kriege um uns herum, die selben Ängste und Verluste, und der selbe Antrieb, also “Flügel”, raus. Ein Lied – da würde ich wahrscheinlich diesen Helden nehmen, aber das ist ja auch schon lanciert, weil es am lautesten ist.
MUM: Das ist ja über einen Soldaten, und zusammen mit “Bin nicht Meer, bin nicht Strand” die einzigen politischeren Lieder. Würdest du mir da recht geben?
KH: Hoffmann geht generell hier mal raus aus seiner eigenen Befindlichkeit, vielleicht in das Gemeinnützige, aber da bin ich noch heftiger, das imponiert mir nicht. Auf der vorletzten Platte hatte ich aus Goodwill ein Lied über den Hass oder so. Für mich war das Grütze, aber manche Leute finden es gut. Ich würde gerne noch freier sein wollen. Der Held ist eben einfach auch eine Befindlichkeit dieses Kindes, das ich immer war, aber ich konnte es nicht formulieren. Martin Walser würde geschrieben haben “Ich streite um den Behalt meiner Kindheit”, ja, ich kämpfe um dieses Grundgefühl. Ich war nie ein Held, habe mir immer in die Hosen geschissen, hatte immer Angst vor Gewalt. Und ein Glück musste ich als West-Berliner nicht entscheiden, ob ich Kriegsdienst verweigere. Ich wollte zur Bundeswehr, wollte da hin, aufgefangen sein in einer Gruppe. Ein Glück nicht, sonst wäre ich wahrscheinlich tot. Deswegen bin ich nach Afghanistan zweimal. Also das sind alles Widersprüche. Wenn das politisch ist – wunderbar. Dass die Zeit danach schreit, dass man mit einfachen Wagenknecht-Vokabeln nur für eine Gruppe noch da sein kann und Merz arbeitet eben an so einer anderen Politik. So baue ich mir meine eigene Sicht der Welt, die vielleicht sehr humanistisch ist. Wenn du mich aber fragen würdest, ob ich ein Pazifist bin, dann würde ich versuchen, um diesen Begriff herum zu krabbeln, weil es gibt Situationen, da würde ich dir das nicht bejahen.
MUM: Wenn wir kurz beim Thema Heimat bleiben. Berlin war früher sehr präsent in deinen Liedern, taucht im neuen Album aber wenig auf.
KH: Ich setze es voraus, dass du mich erdest. Die Wurzeln sind schon da, auch dieser Kind-Gedanke ist geerdet in der Stadt Berlin. Aber ich benenne es nicht mehr so, mache keine “Glory glory Berlin”-Lieder mehr. Das hat sich verändert. Irgendwann habe ich entschieden, dass dieses Album “Flügel” heißt und wusste nicht einmal, warum, weil es kein Lied hierzu gibt. Es war eine Bewegung – das hätte auch “Flügelschlag” heißen können, “Flügelwärts” oder irgendwie so.
MUM: Du bist ja auch ausgezeichnet worden, 2019 mit dem Verdienstorden der Stadt Berlin und nun dieses Jahr mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande. Was bedeutet dir das?
KH: Das Erste, aus der Heimat Berlin, das fand ich toll. Da kriege ich einen Orden. Wir saßen da, meine Frau Malene und Natalie aus dem Büro, und ich war Piefke, unter 24 Leuten, ein Glück, da konnte ich den Protestanten beruhigen, damit er hier nicht so eitel aus der Rolle fällt. Und dann kam dieses Bundesverdienstkreuz. Nun kenne ich Frank-Walter Steinmeier auch, und ich wusste schon, dass diese Dinge alle echt sind. Jim Rakete würde sagen “ich bin kein Ordensträger”, und ich drücke mich da auch vor diesen protestantischen Begriffen, Feigheit, Stolz, Eitelkeit – das ist ja alles besetzt, bei so Leuten um die 70 noch viel mehr. Ich würde aber nicht sagen, dass es mir nichts bedeutet. Es bedeutet mir viel. Ich wurde gesehen, das ist das Wichtigste. Als ich ausgezeichnet wurde, hatte ich eine Zeit lang Mühe, weil ich glaubte, ich müsste nun aufhören, weil es nun genug wäre. Du hast ‘nen Fahrtenschwimmer, bist eingesegnet worden, nun kriegst du ‘nen Orden – und dann stellen sie dich in die Bücherei oder so.
MUM: Aber es hat dich gefreut?
KH: Es hat mich total gefreut. Aber ich komme immer wieder zu diesem Kind. Das sind Kindergefühle, die ich heute noch hege, und ich wette sogar, das ist auch noch das Spontanste an der Musik, der spontanste Ausdruck, theatralisch, pathetisch, kitschig damit umzugehen, mit den vielen Einflüssen.
MUM: Du singst ja auch immer wieder über Kinder. Du hast selbst eine Tochter, die du lange nicht gesehen hast, als sie aufgewachsen ist. Jetzt beendest du das Lied “Kinder” mit “Glück ist zu singen für ein Kind”.
KH: Ja, vielleicht ein bisschen dick, aber es ist Glück.
MUM: Inzwischen hast du ja auf “Septemberherz” sogar ein Lied mit deiner Tochter gesungen. Gab es die Überlegung, dies auf dem neuen Album auch wieder zu machen?
KH: Ja, sie hatte aber keine Lust und keine Zeit. Das fand ich auch gut. Dann kam die Caroline, die ich lange kenne. Diese Produktion war einfach toll, weil wir alle im Kreis saßen. Walter Keiser ist ja jetzt statt Stephan Genze am Schlagzeug, und wir haben alles Hand in Hand eingespielt.
MUM: Es war ja vor allem nach Corona sicher wieder schön, zusammen aufzunehmen.
KH: Ja, die Atmosphäre war wirklich so, wie ich sie mir gewünscht habe, zumal alle gütig waren, diesen alten weißen Mann zu fordern. Ich bin ja kein großer Gitarrist, aber sie haben mich gefordert, zu sagen “jetzt spielst du mal Gitarre” und immer wieder, und “wir spielen auch das ganze Gedöns, was du da im Moment hast”, und das war ein Geschenk. Ich weiß noch, Micha Brandt sagte dann irgendwann “wir spielen genau das, was Klaus jetzt will”, und das ist auch ein Orden. Das sind ja alles auch alte Männer, die haben ja auch was anderes zu tun als diese Musik – wenn ich die dann charmant um den Finger wickel und wir im Weryton sitzen. Das selbe beim Abmischen im Weryton, ich habe dann gesagt “Berthold, pass auf, das Ding muss durchsichtig und rough sein und ich brauche Stimme”, und dann bin ich durch den Englischen Garten gegangen. Dann hat der das Zeug in die Hand genommen – das sind auch Flügel.
MUM: Das einzige nicht so abgemischte Lied, “Manchmal”, finde ich sehr berührend, weil es äußerst emotional wirkt. Im Booklet schreibst du “Für Antje” – ist das der verstorbenen Antje Vollmer gewidmet?
KH: Ja, das habe ich ihr sogar noch vorgespielt, also ich habe es ihr geschickt, als sie schon dabei war, sich zu verabschieden. Da war ich auf der Terrasse und habe das wie J. J. Cale aufgenommen, den ich mal sehr bewunderte, mit dem Handy. Ich wollte das auch ungemischt auf der Scheibe haben, aber da mussten wir schon noch was machen, weil man hinten ja auch die Kinder und Vögel hört. Ein Glück bin ich sehr weit vorne mit der Stimme. Das ist mir fast schon zu dicht, aber es ist okay.
MUM: Du bist jetzt noch in den Abschlusskonzerten zu “Septemberherz” und beginnst gleichzeitig die Promo für “Flügel”. Spielst du schon was vom neuen Album?
KH: Ich werde heute vielleicht mal einen Song machen, aber generell nicht. Das hat mir mal Herman van Veen beigebracht, der hat gesagt “du gehst aus einer Show raus, gehst in die andere rein”. Du kannst das auch kritisieren, aber mich trägt die Geschichte. Der Sänger, der für mich eher ein Bild ist für einen Erzähler, geht jetzt mit dem großen Glück, dass ihm die Leute noch zuhören, von einer Geschichte in die andere, aber es ist immer wieder seine Geschichte. Die Geschichte, die ich kenne. Und gerade jetzt, das ist doch unfassbar, wie ein Krieg in den nächsten übergeht. Israel ist davor, einzumarschieren, das Gemetzel geht dann weiter, und in der Ukraine ist es parallel genauso. Irgendwann lässt dieser Putin einfach die Kriege walten.
MUM: Hast du Angst vor einem Weltkrieg?
KH: Eine Zeit lang ja. Ich bin der Meinung, wir sind sogar ein Stück weit schon mittendrin, aber das äußert sich vielleicht anders. Aber natürlich, ich hab totale Angst, aber das ist meine kleine Existenz. Ich möchte das nicht haben, kann mich kaum positionieren. Du kannst an sich nur für den Menschen sein. Das Bemühen dieser armen oder reichen, verblödeten und klugen Politiker, ich bin froh, dass ich das nicht verwalten muss.
MUM: Du hast auf der neuen Platte erneut ein Lied von Michel Legrand interpretiert – als Hommage, weil er 2019 verstorben ist, faszinieren dich die Filme, oder war das Zufall, dass du zwei Alben hintereinander seine Stücke ausgewählt hast?
KH: Ich sitze manchmal vor dem PC, wenn ich Ruhe habe, und picke ein Lied, und über die englische oder französische Übersetzung kriege ich heraus, dass ich dieses gesucht habe, ohne es zu verstehen, und das ist wirklich eigenartig. “Was machst du mit dem Rest deiner Zeit”, “What will you do with the rest of your life” heißt es ja, wo die Franzosen auch schon zuckten, es mir zu geben, weil meine Metrik anders ist, ein bisschen flacher auch, und dann merkte ich “das ist ja ein Legrand”. Bei Aznavour kriege ich das schneller hin.
MUM: Hast du manchmal drüber nachgedacht, noch einmal zu schauspielern?
KH: Ja, würde ich gerne, klar.
MUM: Du warst ja sehr erfolgreich, hast aber aufgehört.
KH: Ich habe schon noch ein paar Filme gemacht, die keiner kennt. Ich glaube, das war auch so eine Fügung. Jetzt bin ich sehr starker Sänger als Typus, auch alt. Ich würde gerne einen Erzähler finden, nicht unbedingt eine Arztserie spielen, das können andere, die sehen auch besser aus. Ich bin eben so geworden. Ich würde schon gerne spielen, ich spiele ja auf der Bühne als Schauspieler – nicht so abgedroschen, wie es jetzt klingt, ich bin das schon, aber der hilft mir einfach, dieser Typ im Anzug.
MUM: Du hattest ja lange Zeit den Rhythmus, alle zwei Jahre ein Studioalbum zu veröffentlichen, dazwischen eine Live-Scheibe. Die ist durch Corona vermutlich zuletzt weggefallen, und “Flügel” kommt nun nach drei Jahren. Ist der Rhythmus vorbei?
KH: Es gehören immer drei Platten zusammen bei mir. “Septemberherz”, jetzt diese, dann vielleicht auch mal wieder eine Liveplatte.
MUM: Du hast noch keine neue Tour verkündet, die ist aber sicher in Planung für 2024, oder?
KH: Das hoffe ich. Wir krabbeln da nach und das verschiebt dann auch wieder etwas bis zum nächsten Herbst hin, aber doch, wir fangen in Berlin mit “Flügel” an und dann geht das weiter.
MUM: Planst du sonst noch irgendetwas Außergewöhnliches? Du hast Bücher geschrieben, das Brel-Musical gemacht – ist da irgendwas Besonderes, oder kommen eine Tour, eine Liveplatte und das dritte Album dieser Reihe?
KH: Vielleicht schreibe ich ein Buch, aber das soll sich jetzt erst einmal öffnen. Ich weiß noch nicht. Aber ich will mit ‘nem Orchester was machen, gerne mal mehr kommen lassen. Aber ich werde erst einmal die nächste Show schreiben.
MUM: Ist das konkret mit dem Orchester?
KH: Ziemlich, obwohl, konkret noch nicht. Lass mal das nächste Jahr kommen. Die Ganze Welt brennt und wir schmieden Pläne, schräg.
MUM: Aber wäre ja schade, wenn wir das nicht machen würden.
KH: Ja, du musst das machen.
verfasst von Tobi 3. November 2023
Wenn Klaus Hoffmann am 17. November 2023 seinen neuen Longplayer “Flügel” veröffentlicht, dann handelt es sich hierbei um sein sage und schreibe 50. Album. Die Pandemie brachte den inzwischen 72-jährigen Berliner Liedermacher, der auch als Schauspieler und Autor aktiv war, zwar aus seinem üblichen Rhythmus, seiner Musik hat sie aber nicht schaden können, und so wissen auch die 14 neuen, abwechslungsreichen Stücke mit ansprechenden Texten über Aufbruch, Liebe und das Leben wieder zu überzeugen, mal beschwingt, mal von Melancholie geprägt – lies unsere Rezension zum neuen Album hier.
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Auch wenn das neue Album “Flügel” endlich wieder zusammen in Bandbesetzung in einem Raum eingespielt werden konnte, in nur einer intensiven Woche zusammen realisiert, ist Klaus Hoffmann gerade noch dabei, die Tour zur 2020er-Scheibe “Septemberherz” mit einigen Nachholterminen in kleiner Besetzung abzuschließen, begleitet nur von Hawo Bleich. Vor seinem Konzert in Leverkusen am 20. Oktober (lies unseren Livebericht hier), bei dem er wie immer durch zahlreiche Anekdoten zwischen den Liedern auch für viele heitere Momente sorgte, nutzten wir die Chance, den symphatischen und bodenständigen Künstler zu treffen und das allererste Interview zum neuen Longplayer zu führen, in dem es aber auch um viele andere Themen ging.
Klaus Hoffmann (Foto: © Malene)
“In der Coronazeit habe ich aus Lust und aus Liebe gesagt, dass wir auch für 40 Leute spielen, nicht weil ich da viel Geld verdienen würde, sondern weil das die alte Leidenschaft war. Du fehlst mir einfach, ich muss dich ansingen – selbst maskiert.”
MUM: Klaus, heute habe ich ein altes Interview von dir gelesen, in dem du vor etwa 20 Jahren gesagt hast, du hättest Angst, dass dir die Zeit wegrennt.
KH: Echt? Damals schon…
MUM: Das ist doch aber vermutlich einem guten Gefühl gewichen, wenn du jetzt weißt, dass du 20 Jahre später nach wie vor auf der Bühne stehst und die Leute kommen.
KH: Das finde ich enorm, wenn du das trennen kannst und dich damit vor etwas anderem beruhigen kannst – dann ist das toll. Mein Publikum ist an sich das, um was es dann geht. Um diesen Typen mit seinen Liedern, aber dass die da sind, und die sind ja alle auch so alt wie ich oder einen Tick jünger.
MUM: Und die kommen ja immer wieder.
KH: Aber du hast ja eben was angesprochen, dass mich das irgendwie beruhigen müsste oder so. Nee, ab einem gewissen Alter bin ich froh, dass ich das mache, aber ich glaube mir nur, wenn ich’s mir glaube, das heißt da ist dieser Mensch, der vor vielen Jahren mit der Gitarre anfing und so spinnerte Ideen im Kopp hatte – ich folge meinen Füßen, ich folge mir da auch und bin distanziert und will sehen, was er dann noch so verzapft. Wenn das stimmt und echt ist, dann ist das gut.
MUM: Und solange die Ideen nicht ausgehen, ist das doch auch gut.
KH: Die meisten denken immer, das sind Ideen und so. Es gibt einen schönen Film, die “Blues Brothers”, da sagen sie “es passiert im Namen des Herrn”, und diesen Spruch fand ich einfach sehr interessant, weil er so eine Distanz schafft. Aus welchem Grund machst du das, was du ein Leben lang machst? Und wenn du überlegst, dass wir uns nur für eine begrenzte Zeit sehen und treffen, Leute werden krank und älter, oder sterben, dann musst du langsam mal rausfinden “Warum ist das so passiert?”. Ich habe ja mal angefangen in Clubs, so wie hier, dann wurde ich durch Zufall ein Schauspieler, der noch ein Stipendium bekam, und hab vom Handwerk alles gelernt. Aber ich war so ein spinnerter Typ mit so eigenartigen Texten, die damals überhaupt nicht en vogue waren, unpolitisch oder nicht greifbar konkret einzuordnen in eine Richtung – das war ja immer mein großes Problem. Mit der Zeit hab ich’s gelernt. Ich hab einfach gelernt, dieser Figur oder diesem Typen, der sich seine Texte und seine Musik selber schreibt und dann noch Schauspieler ist, immer mehr Raum in Bühnenarbeit zu geben. Da liegt meine große Erfüllung, dass ich dich ansinge, aber auch nicht genau weiß, was du an mir findest. Diese schrägen Lieder wie “Blinde Katharina” und so, das war ja alles deswegen auch so zufällig gut, weil ich da nicht viel nachdachte. Ich bin durch den Kiez gegangen und hab gedacht “Ich schreib jetzt nen Hit”. Ich war bei der RCA, und da konnte man noch Singles machen, aber ich wusste gar nicht wie. Ich hab ‘ne Wohnung gehabt für 100 Mark mit einem Zimmer und ‘nem Zen-Garten. Zen-Buddhist war ich zu der Zeit, und dann habe ich “Blinde Katharina” glaube ich in so drei Stunden runtergerotzt. Diese Naivität, das war schon toll.
MUM: Hat sich der Prozess des Musikmachens mit dem Älterwerden für dich sehr viel geändert?
KH: Sagen wir mal so: Meine Jugend hat spät begonnen, und ich fange wieder an, so naiv zu versuchen, aber es gelingt mir nicht, weil ich blöderweise klüger geworden bin und kenne ja das Spiel. Aber es ist toll. Hawo, mein Begleiter und Pianist, hilft oft, weil er von außen rangeht wie ein blinder Fisch. Da muss ich sehr schnell auf den Punkt kommen, und dieses Schnelle obliegt meiner Ungeduld. Deswegen improvisiere ich auch gerne noch auf der Bühne, aber das Besteck muss da sein, als Sicherheitsanker. Ich werde nie wieder 15 sein können. Ich fand die Lieder auch gar nicht gut, diesen “Feuervogel” und so. Das beste fand ich, dass ich so verkleistert schrieb wie einer aus dem Osten, die hatten so eine Meta-Sprache – “du könntest mich dabei erwischen, dass ich die Wahrheit sage, und dann komme ich in den Knast”. Daraus entwickelte ich etwas, wo ja keiner reinkam und sagte “das kannst du, das solltest du weiter machen”. Und die Chance war in den 70ern, dass ich ein paar depperte Geschäftspartner in den Plattenfirmen hatte, die an mich glaubten, weil ich auch gleich unglaublich viele Platten verkaufte. Der Georg Baum, ein amerikanischer Jude, hat sich wirklich darin verliebt, der hat Dinge gesehen, die ich damals nicht verstand. Diese ganzen Traurigkeiten, die ich hatte, diesen Pathos. Diese komische Stimme, die knatterte da so rum – ich konnte das einfach nicht besser, und das war toll. Aber dadurch konnte ich es weiter machen und glaubte dann immer mehr an mich. Es ist gut, wenn du von dieser Seite im Geschäft jemanden hast, der dich bejaht und unterstützt.
MUM: Ist es heute schwieriger, Musik zur Unterhaltung zu machen bei all den Themen, die es in der Welt gibt?
KH: Wenn du deutsches Fernsehen siehst, dann siehst du ja vieles zwischen Arztserien und “Tatort”. Wo ist das gut, wo schlecht, wie ist das aufgeteilt? Dann gibt es Silbereisen und diese Menge an Schlager, die einen Platz einnehmen, und Roland Kaiser und dies und jenes, jetzt mal ganz ohne Wertung. Da ist es schwer, wenn so verrückte Typen reingehen, die finden kaum ein Forum. Vielleicht ein Mädchen, das romantisch daher kommt, Françoise Hardy zur Gitarre, sowas ist immer ein Garant, denn die Plattenleute, die unter Druck sind, heute kaum noch Platten zu verkaufen, wollen zeigen, dass sie das alles mitmachen wollen. Das ist schwer. Es kommt immer einer an mit einer Gitarre und will dir was erzählen. Du musst einfach diesen Drang haben, die Welt auseinanderzunehmen mit deinem komischen Lied. Die Vorgänge sind bei allen Kollegen, die ich bisher kannte, ähnlich: Es knallt nach oben, dann gehst du durch so Täler, dann fehlt Publikum, es kommen Krisen. Geld spielt eine große Rolle – ich bin ja sehr selbstständig mit meiner kleinen Firma. Dann kommt dein Leben noch, mit Krankheiten und so. Trotzdem gibt’s dann Leute wie Cocker, da musst du dich fragen, wieso hat der gesungen? Bei Jacques Brel kann man das verstehen, da sieht man einen Dichter, einen Belgier der auf die Marquesas will, der folgt diesem François Villon Weg. Bei Reinhard Mai siehst du das – wenn der stirbt, dann werden alle sagen, Goethe wäre gestorben. Das ist so vorgeprägt. Und wenn du dann fragst, ob die Träumer, die nicht mal rebellisch sein müssen, eine Chance haben, Bettina Wegner, die dann ein Glück sagte “Sind so kleine Hände” und einen Hit hatte, die haben heute kaum eine Chance. Aber das gehört sich auch so, dann müssen sie den Arsch hochkriegen und es selber machen.
MUM: Du fängst deine Konzerte immer an mit dem Spruch “So viele Gesichter, die ich überhaupt nicht kenne”, was ja nicht stimmt, wie du weißt. Du kannst ja froh sein, dass du eine Fangemeinde hast, bei der du schon sehr von deinem Stil abweichen müsstest, um sie zu verlieren.
KH: In der Coronazeit habe ich aus Lust und aus Liebe gesagt, dass wir auch für 40 Leute spielen, nicht weil ich da viel Geld verdienen würde, sondern weil das die alte Leidenschaft war. Du fehlst mir einfach, ich muss dich ansingen – selbst maskiert. Meine ganzer Werdegang ist der, um zu werden, der ich bin.
MUM: Würdest du dich freuen, manchmal jüngeres Publikum zu sehen?
KH: Das kommt auch, aber was bedeutet das, ob die nun jung oder alt sind? Gestern in Koblenz sagte mir eine Frau beim Signieren, sie habe mich begleitet seit “Die neuen Leiden des jungen W.” [Anmerkung: der Verflimung mit Hoffmann aus dem Jahr 1976]. Das ist schon bedeutsam. Ich kneife ja oft auch bei so einer Dichte. Ich gebe zwar vor “komm mir bloß nahe”, meine im Grunde aber “bleib mir bloß fern”. Junge Leute, hmm – ich glaube, ich drücke mich noch vor so einem Schritt, den Wecker zum Beispiel viel öfter gemacht hat, in so einer Radikalität eine Meinung zu haben für etwas, wo ich eher der Meinung bin, dass man vieles auch nicht immer sagen muss. Das ist ein inneres Gehäuse an Poesie, da bin ich Patty Smith näher als vielleicht einem politischen Lied oder so, und da gehen die Jungen im Moment natürlich genauso wirr herum, haben dann aber ja andere, einen Bendzko oder so.
MUM: Du gehst aber ja auch ganz bewusst nicht in die Richtung der Jüngeren, hast keine Social-Media-Kanäle, machst so gut wie keine Videos, um Songs zu begleiten. Weil du es nicht möchtest?
KH: Möchte ich schon. Wir machen es ja manchmal, aber weil ich vom Bild komme, vom Schauspielern, möchte ich es am liebsten autorenhaft haben. Das ist mir sonst zu wenig, ich möchte das als Geschichte noch größer machen. Jetzt das neue Album ist einfach ein Glücksfall, und da würde ich schon gerne ein Video machen. Ich bin erpicht zu sehen, wie es ankommt, wie wir es platzieren uns so.
MUM: Wenn du dir einen Song herauspicken würdest aus dem Album, der so dein Kernsong ist, du vielleicht ein Video machen würdest, welcher wäre das?
KH: Das ist so eine Sache. Da gibt es so ein pathetisches Lied von Aznavour und so, das kann man schneller spielen. Da würdest du mich fragen, warum denn nun gerade dieses, aber da kann ich mehr in die Maske gehen. Aber da gibt es auch ganz kleine Lieder. Ich muss erst einmal sagen, dass ich dieses Album liebe, mehr, als ich wahrscheinlich in einem halben Jahr sagen werde, wegen dieser ganzen Maschinerie, die da losgeht und wo dann jeder erzählt, wie er es findet. Das erste Lied war “Bin nicht Meer, bin nicht Strand”, eigenartiges Lied, habe ich mir abgebrochen vor zwei Jahren. Ich wusste nur, ich möchte was über diesen Jungen singen in dieser Nachkriegszeit, und jetzt die Kriege um uns herum, die selben Ängste und Verluste, und der selbe Antrieb, also “Flügel”, raus. Ein Lied – da würde ich wahrscheinlich diesen Helden nehmen, aber das ist ja auch schon lanciert, weil es am lautesten ist.
MUM: Das ist ja über einen Soldaten, und zusammen mit “Bin nicht Meer, bin nicht Strand” die einzigen politischeren Lieder. Würdest du mir da recht geben?
KH: Hoffmann geht generell hier mal raus aus seiner eigenen Befindlichkeit, vielleicht in das Gemeinnützige, aber da bin ich noch heftiger, das imponiert mir nicht. Auf der vorletzten Platte hatte ich aus Goodwill ein Lied über den Hass oder so. Für mich war das Grütze, aber manche Leute finden es gut. Ich würde gerne noch freier sein wollen. Der Held ist eben einfach auch eine Befindlichkeit dieses Kindes, das ich immer war, aber ich konnte es nicht formulieren. Martin Walser würde geschrieben haben “Ich streite um den Behalt meiner Kindheit”, ja, ich kämpfe um dieses Grundgefühl. Ich war nie ein Held, habe mir immer in die Hosen geschissen, hatte immer Angst vor Gewalt. Und ein Glück musste ich als West-Berliner nicht entscheiden, ob ich Kriegsdienst verweigere. Ich wollte zur Bundeswehr, wollte da hin, aufgefangen sein in einer Gruppe. Ein Glück nicht, sonst wäre ich wahrscheinlich tot. Deswegen bin ich nach Afghanistan zweimal. Also das sind alles Widersprüche. Wenn das politisch ist – wunderbar. Dass die Zeit danach schreit, dass man mit einfachen Wagenknecht-Vokabeln nur für eine Gruppe noch da sein kann und Merz arbeitet eben an so einer anderen Politik. So baue ich mir meine eigene Sicht der Welt, die vielleicht sehr humanistisch ist. Wenn du mich aber fragen würdest, ob ich ein Pazifist bin, dann würde ich versuchen, um diesen Begriff herum zu krabbeln, weil es gibt Situationen, da würde ich dir das nicht bejahen.
MUM: Wenn wir kurz beim Thema Heimat bleiben. Berlin war früher sehr präsent in deinen Liedern, taucht im neuen Album aber wenig auf.
KH: Ich setze es voraus, dass du mich erdest. Die Wurzeln sind schon da, auch dieser Kind-Gedanke ist geerdet in der Stadt Berlin. Aber ich benenne es nicht mehr so, mache keine “Glory glory Berlin”-Lieder mehr. Das hat sich verändert. Irgendwann habe ich entschieden, dass dieses Album “Flügel” heißt und wusste nicht einmal, warum, weil es kein Lied hierzu gibt. Es war eine Bewegung – das hätte auch “Flügelschlag” heißen können, “Flügelwärts” oder irgendwie so.
MUM: Du bist ja auch ausgezeichnet worden, 2019 mit dem Verdienstorden der Stadt Berlin und nun dieses Jahr mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande. Was bedeutet dir das?
KH: Das Erste, aus der Heimat Berlin, das fand ich toll. Da kriege ich einen Orden. Wir saßen da, meine Frau Malene und Natalie aus dem Büro, und ich war Piefke, unter 24 Leuten, ein Glück, da konnte ich den Protestanten beruhigen, damit er hier nicht so eitel aus der Rolle fällt. Und dann kam dieses Bundesverdienstkreuz. Nun kenne ich Frank-Walter Steinmeier auch, und ich wusste schon, dass diese Dinge alle echt sind. Jim Rakete würde sagen “ich bin kein Ordensträger”, und ich drücke mich da auch vor diesen protestantischen Begriffen, Feigheit, Stolz, Eitelkeit – das ist ja alles besetzt, bei so Leuten um die 70 noch viel mehr. Ich würde aber nicht sagen, dass es mir nichts bedeutet. Es bedeutet mir viel. Ich wurde gesehen, das ist das Wichtigste. Als ich ausgezeichnet wurde, hatte ich eine Zeit lang Mühe, weil ich glaubte, ich müsste nun aufhören, weil es nun genug wäre. Du hast ‘nen Fahrtenschwimmer, bist eingesegnet worden, nun kriegst du ‘nen Orden – und dann stellen sie dich in die Bücherei oder so.
MUM: Aber es hat dich gefreut?
KH: Es hat mich total gefreut. Aber ich komme immer wieder zu diesem Kind. Das sind Kindergefühle, die ich heute noch hege, und ich wette sogar, das ist auch noch das Spontanste an der Musik, der spontanste Ausdruck, theatralisch, pathetisch, kitschig damit umzugehen, mit den vielen Einflüssen.
MUM: Du singst ja auch immer wieder über Kinder. Du hast selbst eine Tochter, die du lange nicht gesehen hast, als sie aufgewachsen ist. Jetzt beendest du das Lied “Kinder” mit “Glück ist zu singen für ein Kind”.
KH: Ja, vielleicht ein bisschen dick, aber es ist Glück.
MUM: Inzwischen hast du ja auf “Septemberherz” sogar ein Lied mit deiner Tochter gesungen. Gab es die Überlegung, dies auf dem neuen Album auch wieder zu machen?
KH: Ja, sie hatte aber keine Lust und keine Zeit. Das fand ich auch gut. Dann kam die Caroline, die ich lange kenne. Diese Produktion war einfach toll, weil wir alle im Kreis saßen. Walter Keiser ist ja jetzt statt Stephan Genze am Schlagzeug, und wir haben alles Hand in Hand eingespielt.
MUM: Es war ja vor allem nach Corona sicher wieder schön, zusammen aufzunehmen.
KH: Ja, die Atmosphäre war wirklich so, wie ich sie mir gewünscht habe, zumal alle gütig waren, diesen alten weißen Mann zu fordern. Ich bin ja kein großer Gitarrist, aber sie haben mich gefordert, zu sagen “jetzt spielst du mal Gitarre” und immer wieder, und “wir spielen auch das ganze Gedöns, was du da im Moment hast”, und das war ein Geschenk. Ich weiß noch, Micha Brandt sagte dann irgendwann “wir spielen genau das, was Klaus jetzt will”, und das ist auch ein Orden. Das sind ja alles auch alte Männer, die haben ja auch was anderes zu tun als diese Musik – wenn ich die dann charmant um den Finger wickel und wir im Weryton sitzen. Das selbe beim Abmischen im Weryton, ich habe dann gesagt “Berthold, pass auf, das Ding muss durchsichtig und rough sein und ich brauche Stimme”, und dann bin ich durch den Englischen Garten gegangen. Dann hat der das Zeug in die Hand genommen – das sind auch Flügel.
MUM: Das einzige nicht so abgemischte Lied, “Manchmal”, finde ich sehr berührend, weil es äußerst emotional wirkt. Im Booklet schreibst du “Für Antje” – ist das der verstorbenen Antje Vollmer gewidmet?
KH: Ja, das habe ich ihr sogar noch vorgespielt, also ich habe es ihr geschickt, als sie schon dabei war, sich zu verabschieden. Da war ich auf der Terrasse und habe das wie J. J. Cale aufgenommen, den ich mal sehr bewunderte, mit dem Handy. Ich wollte das auch ungemischt auf der Scheibe haben, aber da mussten wir schon noch was machen, weil man hinten ja auch die Kinder und Vögel hört. Ein Glück bin ich sehr weit vorne mit der Stimme. Das ist mir fast schon zu dicht, aber es ist okay.
MUM: Du bist jetzt noch in den Abschlusskonzerten zu “Septemberherz” und beginnst gleichzeitig die Promo für “Flügel”. Spielst du schon was vom neuen Album?
KH: Ich werde heute vielleicht mal einen Song machen, aber generell nicht. Das hat mir mal Herman van Veen beigebracht, der hat gesagt “du gehst aus einer Show raus, gehst in die andere rein”. Du kannst das auch kritisieren, aber mich trägt die Geschichte. Der Sänger, der für mich eher ein Bild ist für einen Erzähler, geht jetzt mit dem großen Glück, dass ihm die Leute noch zuhören, von einer Geschichte in die andere, aber es ist immer wieder seine Geschichte. Die Geschichte, die ich kenne. Und gerade jetzt, das ist doch unfassbar, wie ein Krieg in den nächsten übergeht. Israel ist davor, einzumarschieren, das Gemetzel geht dann weiter, und in der Ukraine ist es parallel genauso. Irgendwann lässt dieser Putin einfach die Kriege walten.
MUM: Hast du Angst vor einem Weltkrieg?
KH: Eine Zeit lang ja. Ich bin der Meinung, wir sind sogar ein Stück weit schon mittendrin, aber das äußert sich vielleicht anders. Aber natürlich, ich hab totale Angst, aber das ist meine kleine Existenz. Ich möchte das nicht haben, kann mich kaum positionieren. Du kannst an sich nur für den Menschen sein. Das Bemühen dieser armen oder reichen, verblödeten und klugen Politiker, ich bin froh, dass ich das nicht verwalten muss.
MUM: Du hast auf der neuen Platte erneut ein Lied von Michel Legrand interpretiert – als Hommage, weil er 2019 verstorben ist, faszinieren dich die Filme, oder war das Zufall, dass du zwei Alben hintereinander seine Stücke ausgewählt hast?
KH: Ich sitze manchmal vor dem PC, wenn ich Ruhe habe, und picke ein Lied, und über die englische oder französische Übersetzung kriege ich heraus, dass ich dieses gesucht habe, ohne es zu verstehen, und das ist wirklich eigenartig. “Was machst du mit dem Rest deiner Zeit”, “What will you do with the rest of your life” heißt es ja, wo die Franzosen auch schon zuckten, es mir zu geben, weil meine Metrik anders ist, ein bisschen flacher auch, und dann merkte ich “das ist ja ein Legrand”. Bei Aznavour kriege ich das schneller hin.
MUM: Hast du manchmal drüber nachgedacht, noch einmal zu schauspielern?
KH: Ja, würde ich gerne, klar.
MUM: Du warst ja sehr erfolgreich, hast aber aufgehört.
KH: Ich habe schon noch ein paar Filme gemacht, die keiner kennt. Ich glaube, das war auch so eine Fügung. Jetzt bin ich sehr starker Sänger als Typus, auch alt. Ich würde gerne einen Erzähler finden, nicht unbedingt eine Arztserie spielen, das können andere, die sehen auch besser aus. Ich bin eben so geworden. Ich würde schon gerne spielen, ich spiele ja auf der Bühne als Schauspieler – nicht so abgedroschen, wie es jetzt klingt, ich bin das schon, aber der hilft mir einfach, dieser Typ im Anzug.
MUM: Du hattest ja lange Zeit den Rhythmus, alle zwei Jahre ein Studioalbum zu veröffentlichen, dazwischen eine Live-Scheibe. Die ist durch Corona vermutlich zuletzt weggefallen, und “Flügel” kommt nun nach drei Jahren. Ist der Rhythmus vorbei?
KH: Es gehören immer drei Platten zusammen bei mir. “Septemberherz”, jetzt diese, dann vielleicht auch mal wieder eine Liveplatte.
MUM: Du hast noch keine neue Tour verkündet, die ist aber sicher in Planung für 2024, oder?
KH: Das hoffe ich. Wir krabbeln da nach und das verschiebt dann auch wieder etwas bis zum nächsten Herbst hin, aber doch, wir fangen in Berlin mit “Flügel” an und dann geht das weiter.
MUM: Planst du sonst noch irgendetwas Außergewöhnliches? Du hast Bücher geschrieben, das Brel-Musical gemacht – ist da irgendwas Besonderes, oder kommen eine Tour, eine Liveplatte und das dritte Album dieser Reihe?
KH: Vielleicht schreibe ich ein Buch, aber das soll sich jetzt erst einmal öffnen. Ich weiß noch nicht. Aber ich will mit ‘nem Orchester was machen, gerne mal mehr kommen lassen. Aber ich werde erst einmal die nächste Show schreiben.
MUM: Ist das konkret mit dem Orchester?
KH: Ziemlich, obwohl, konkret noch nicht. Lass mal das nächste Jahr kommen. Die Ganze Welt brennt und wir schmieden Pläne, schräg.
MUM: Aber wäre ja schade, wenn wir das nicht machen würden.
KH: Ja, du musst das machen.
paperpress, 48. Jahrgang v. 03.11.23
Klaus Hoffmann verleiht Flügel
Wozu braucht man "Red Bull", wenn einem Klaus Hoffmann Flügel verleihen kann? Musikalische versteht sich.
Nach zweieinhalb Jahren, in denen der Kulturbereich Coronabedingt mehrfach "runtergedimmt bis ausgeschaltet war", ist Klaus Hoffmann im wahrsten Sinne des Wortes mit Flügel(n) zurück. Dass im Anschluss an diese auferlegten Zwangspausen ein neues Album erscheinen könnte, war keineswegs absehbar. Dass Hoffmann die Zeit unter anderem mit Komponieren, Texten und Arrangieren überbrückt, hingegen schon eher.
Mit neuen Liedern im Gepäck, ist der Sänger und Chansonnier dann schlusendlich im August 2023 für eine Woche ins Münchener Weryton Studio eingekehrt. Dort hat er 14 von ihnen zusammen mit Hawo Bleich (Piano, Keyboards), Micha Brandt (Gitarren) und den Brüdern Peter und Walter Keiser (Bass und Drums) eingespielt und zu "Flügel" vereint.
Welch ein Glück, dass die behutsame Produktion und Abmischung von Berthold Weindorf und Klaus Hoffmann die Energie dieser intensiven Augusttage bewahrte. So dermaßen 1:1 hat Hoffmann, von Live-Mitschnitten abgesehen, bislang auf keinem Studioalbum geklungen. Die Dynamik und Geschlossenheit, welche "Flügel" auszeichnet, stellt es unmittelbar in eine Reihe zu den besonderen Alben seiner Diskographie, wie dem 75'er Debüt ("Klaus Hoffmann") oder die Raubert-Alben ("Brel", "Hoffmann-Berlin", "Mein Weg").
Für Hoffmannsche Verhätlnisse ist es ein lautes Album. Laut auch in den Texten. Texte, die sich, selbst wenn sie Unterschiedliches benennen, aufeinander beziehen, ergänzen und verstäken - wie Yin und Yang.
Da ist der Jünger, 20-jährige, der sich naiv und arrogant eine Welt erfand ("Ich versuchs"), und den dennoch oder gerade deshalb so viel mit dem fragenden und vertrauenden Älteren ("Was machst Du mit dem Rest deiner Zeit", "Neuer Morgen") eint.
Einem Älteren, dem die Kindheit eine tiefe emotionale Verbindung zu den Fliehenden unserer Tage mit auf den Lebensweg gab ("Bin nicht Meer, bin nicht Strand"). Einem, der weiß, was es heißt, fremdbestimmt in Konflikte, welche nicht die eigenen sind, geschickt zu werden ("Kein Held"). Einem Älteren, der der Zauberwelt der Kinder vertraut ("Kinder") und dem aller vergeblichen Sehnsucht zum Trotz, gerade deshalb die Hoffnung innewohnt ("Im nächsten Sommer sehen wir uns wieder").
Und dennoch steht über allem der Klaus Hoffmann der Gegenwart. Hoffmann, der spürt, wenn eine zweite Singstimme der atmosphärischen Tiefe eines Liedes dienlich ist (Caroline von Brünken auf u.a. "Oh mein Gott ist weit"). Hoffmann, der, wenn er über Liebe singt, diese immer auch im übergeordneten, humanistischen Sinn meint. Hoffmann, der Menschenfreund.
Nach zweieinhalb Jahren, in denen der Kulturbereich Coronabedingt mehrfach "runtergedimmt bis ausgeschaltet war", ist Klaus Hoffmann im wahrsten Sinne des Wortes mit Flügel(n) zurück. Dass im Anschluss an diese auferlegten Zwangspausen ein neues Album erscheinen könnte, war keineswegs absehbar. Dass Hoffmann die Zeit unter anderem mit Komponieren, Texten und Arrangieren überbrückt, hingegen schon eher.
Mit neuen Liedern im Gepäck, ist der Sänger und Chansonnier dann schlusendlich im August 2023 für eine Woche ins Münchener Weryton Studio eingekehrt. Dort hat er 14 von ihnen zusammen mit Hawo Bleich (Piano, Keyboards), Micha Brandt (Gitarren) und den Brüdern Peter und Walter Keiser (Bass und Drums) eingespielt und zu "Flügel" vereint.
Welch ein Glück, dass die behutsame Produktion und Abmischung von Berthold Weindorf und Klaus Hoffmann die Energie dieser intensiven Augusttage bewahrte. So dermaßen 1:1 hat Hoffmann, von Live-Mitschnitten abgesehen, bislang auf keinem Studioalbum geklungen. Die Dynamik und Geschlossenheit, welche "Flügel" auszeichnet, stellt es unmittelbar in eine Reihe zu den besonderen Alben seiner Diskographie, wie dem 75'er Debüt ("Klaus Hoffmann") oder die Raubert-Alben ("Brel", "Hoffmann-Berlin", "Mein Weg").
Für Hoffmannsche Verhätlnisse ist es ein lautes Album. Laut auch in den Texten. Texte, die sich, selbst wenn sie Unterschiedliches benennen, aufeinander beziehen, ergänzen und verstäken - wie Yin und Yang.
Da ist der Jünger, 20-jährige, der sich naiv und arrogant eine Welt erfand ("Ich versuchs"), und den dennoch oder gerade deshalb so viel mit dem fragenden und vertrauenden Älteren ("Was machst Du mit dem Rest deiner Zeit", "Neuer Morgen") eint.
Einem Älteren, dem die Kindheit eine tiefe emotionale Verbindung zu den Fliehenden unserer Tage mit auf den Lebensweg gab ("Bin nicht Meer, bin nicht Strand"). Einem, der weiß, was es heißt, fremdbestimmt in Konflikte, welche nicht die eigenen sind, geschickt zu werden ("Kein Held"). Einem Älteren, der der Zauberwelt der Kinder vertraut ("Kinder") und dem aller vergeblichen Sehnsucht zum Trotz, gerade deshalb die Hoffnung innewohnt ("Im nächsten Sommer sehen wir uns wieder").
Und dennoch steht über allem der Klaus Hoffmann der Gegenwart. Hoffmann, der spürt, wenn eine zweite Singstimme der atmosphärischen Tiefe eines Liedes dienlich ist (Caroline von Brünken auf u.a. "Oh mein Gott ist weit"). Hoffmann, der, wenn er über Liebe singt, diese immer auch im übergeordneten, humanistischen Sinn meint. Hoffmann, der Menschenfreund.
Chiemgau-Zeitung 30.10.2023
"Famoser Unterhalter"
"Famoser Unterhalter"
Klaus Hoffmann zu Gast im Lustspielhaus
von Jörg Heinrich
Er ist ein Berliner. Und was für einer. In der Hauptstadt, in seiner Heimatstadt, gilt Klaus Hoffmann als die "Stimme Berlins", als Beinahe-alles-Könner, der singt, schreibt, schauspielert - und der für die klugen Gedanken sorgt, die dieses Land heute so dringend braucht. Jetzt begeisterte er auch die Münchnerinnen und Münchner, die ihm im gut besuchten Lustspielhaus zuhörten, mal gerührt, mal amüsiert. Hoffmann bedankte sich auf seine typisch schnoddrige Art für den reichlichen Applaus: "Sie sind die Intelligentesten mit dem besten Geschmack."
Wer möchte ihm da widersprechen nach gut zwei Stunden mit dem Gesamtkunstwerk Klaus Hoffmann, dem launigen Plauderer, Schwadroneur, Flaneur, Provokateur? Der 72-jährige beherrscht gemeinsam mit seinem getreuen Pianisten Hawo Bleich (der von Hoffmanns Spott nicht verschont bleibt) die Kunst, beim Publikum einen hinreißenden Emotion-Mix zu verursachen.
Mal hört man ihm andächtig zu, wenn er mit Chansons wie "Amsterdam" seinem Heros huldigt, dem großen Belgier Jacques Brel. Oder wenn er angesichts von Seuche und Krieg die Liebe als Lösung vorschlägt: "Die Zeit gehört den Zärtlichen." Und mal amüsiert man sich köstlich über seine Albereien, wenn er über seine Mutter verrät:" Sie war verliebt in einen Typen namens Bata Illic. Aber ich konnte besser singen."
Über seine Jugendjahre enthüllt er: "Ich sah fantastisch aus wie Heidi Klum, ich wog 42 Kilo." Heute sei er eher "ein Star in der Blüte seiner Arterienverkalkung." Aber das Altwerden, es bleibt spannend: "Meine Knochen knacken, wahrscheinlich wachse ich." Das mag sein. Wobei: Ein ganz Großer und vor allem ein famoser Unterhalter ist Klaus Hoffmann schon jetzt.
Er ist ein Berliner. Und was für einer. In der Hauptstadt, in seiner Heimatstadt, gilt Klaus Hoffmann als die "Stimme Berlins", als Beinahe-alles-Könner, der singt, schreibt, schauspielert - und der für die klugen Gedanken sorgt, die dieses Land heute so dringend braucht. Jetzt begeisterte er auch die Münchnerinnen und Münchner, die ihm im gut besuchten Lustspielhaus zuhörten, mal gerührt, mal amüsiert. Hoffmann bedankte sich auf seine typisch schnoddrige Art für den reichlichen Applaus: "Sie sind die Intelligentesten mit dem besten Geschmack."
Wer möchte ihm da widersprechen nach gut zwei Stunden mit dem Gesamtkunstwerk Klaus Hoffmann, dem launigen Plauderer, Schwadroneur, Flaneur, Provokateur? Der 72-jährige beherrscht gemeinsam mit seinem getreuen Pianisten Hawo Bleich (der von Hoffmanns Spott nicht verschont bleibt) die Kunst, beim Publikum einen hinreißenden Emotion-Mix zu verursachen.
Mal hört man ihm andächtig zu, wenn er mit Chansons wie "Amsterdam" seinem Heros huldigt, dem großen Belgier Jacques Brel. Oder wenn er angesichts von Seuche und Krieg die Liebe als Lösung vorschlägt: "Die Zeit gehört den Zärtlichen." Und mal amüsiert man sich köstlich über seine Albereien, wenn er über seine Mutter verrät:" Sie war verliebt in einen Typen namens Bata Illic. Aber ich konnte besser singen."
Über seine Jugendjahre enthüllt er: "Ich sah fantastisch aus wie Heidi Klum, ich wog 42 Kilo." Heute sei er eher "ein Star in der Blüte seiner Arterienverkalkung." Aber das Altwerden, es bleibt spannend: "Meine Knochen knacken, wahrscheinlich wachse ich." Das mag sein. Wobei: Ein ganz Großer und vor allem ein famoser Unterhalter ist Klaus Hoffmann schon jetzt.
Kieler Woche 20. Juni 2023:
"Ein gewaltig witziges Konzert"
"Ein gewaltig witziges Konzert"
Liedermacher Klaus Hoffmann bezirzt sein Publikum auf der Krusenkoppel mit viel Charme
von Annika Paetow
"Das kann ja heiter werden in Kiel", sagt Klaus Hoffmann und lacht. Dreimal versucht der Liedermacher bei seinem Konzert am Sonntagabend auf der Kieler Woche 2023 den ersten Song "Da wird eine Insel sein" anzustimmen - dreimal muss er ihn wieder abbrechen. Zuerst will sich noch unbemerkt eine Frau auf ihren Platz stehlen, danach stören ihn dröhnende Signale im Ohr. "Wenn ich hier gleich umfalle, macht einfach ohne mich weiter". Der 72-Jährige weiß es, sein Publikum zu unterhalten - und führt zweieinhalb Stunden durch einen abwechslungsreichen Abend.
Klaus Hoffmann spricht sich für mehr Miteinander aus
Von der ersten Minute an geht Klaus Hoffmann beim "Gewaltig leise"-Festival an der Krusenkoppel mit seinem Publikum auf Kuschelkurs. "Eines Tages ziehen wir nach Kiel", erzählt der gebürtige Berliner und legt sogar noch nach:"Ihr seid das beste Publikum der Welt". Dann streift er entlang der Reihen, bleibt dicht vor den Zuschauern stehen, beugt sich runter und singt knapp vor den Gesichtern der Gäste weiter. Den Besuchern gefällt die offene Art, sie begrüßen die Aktionen mit ordentlich Applaus.
Ansonsten schlägt der gebürtige Berliner eher ruhige, melancholische Töne an. Eine Gitarre, ein Klavier und seinen jahrelangen Begleite Hawo Bleich im Gepäck - viel mehr braucht er nicht, um sein Publikum in den Bann zu ziehen. Schon zu Beginn werden Handys gezückt, mitgeschaukelt oder im Takt geklatscht. Nur wenige Plätze sind im Freilichttheater freigeblieben - am Zaun stehen zusätzlich einige Schaulustige und beobachten das Geschehen aus dem Park.
Zwischen den Liedern wird es persönlich: Klaus Hoffmann erzählt viel von seiner Kindheit in Berlin, der Nachkriegszeit, dem Tod seines Vaters und seiner Frau Malene. "Ich singe über Geschichten, die ich kenne", sagt der 72-jährige. "Einschneidende Erlebnisse, die micht geprägt haben." Und davon hatte er in seiner fast 50-jährigen Musikerkarriere viele erlebt - brachte insgesamt 24 Alben heraus.
Doch er spricht auch über das Jetzt, bezieht eine politische Stellung und hat vor allem eine klare Forderung: "Der Krieg und Hass muss aufhören." Mit dem Song "Das Ende aller Tage" setzt er sich beispielsweise für eine offene Flüchtlingspolitik ein. Vorne am Eingang sammelt sein Team Spenden für alle Frauen in Afghanistan. Es wird deutlich: Dieser Abend ist mehr als ein Konzert, es ist ein klares Statement für mehr Miteinander.
Nur mit dem Mitsingen tun sich die Zuschauer etwas schwer. Bei dem Lied "Jedes Kind braucht einen Engel" muss der Sänger die Zuschauer zweimal auffordern, bevor sie ihn im Chor begleiten. Das tut der Stimmung aber keinen Abbruch. Inmitten der Bäume wirkt das Szenario fast ein bißchen wie ein Ruhepol vor dem Trubel der Kieler Woche 2023. Lediglich das Hämmern eines lauten Basses erinnert daran, dasss vor den Türen des Freilichttheaters Menschenmassen feiern.
Nach der Pause gibt Klaus Hoffmann noch einmal doppelt Gas und ärgert die Männer im Publikum. "Früher bin ich meinen Freunden immer gerne durchs Haar gefahren", erzählt er. Anschließend schleicht der Liedermacher durch die Reihen, stoppt bei drei Männern mit Glatze und streicht ihnen beherzt über den kahlen Kopf. "Deinetwegen hat Kiel endlich einen Flugplatz", witzelt der 72-jährige. Der angesprochene Mann nimmt es mit Humor und lacht.
Ohne großes Aufsehen schleicht sich auch noch ein besonderer Gast in der zweiten Hälfte auf seinen Platz. Oberbürgermeister Ulf Kämpfer genießt gemeinsam mit Freunden das Konzert. Nach zweieinhalb Stundne mit Standing Ovations und einer Zugabe ist dann Schluss. "Ich wünsche euch viel Glück und die Kraft, euch jeden Tag den Krisen der Welt zu stellen", verabschiedet sich Klaus Hoffmann.
"Das kann ja heiter werden in Kiel", sagt Klaus Hoffmann und lacht. Dreimal versucht der Liedermacher bei seinem Konzert am Sonntagabend auf der Kieler Woche 2023 den ersten Song "Da wird eine Insel sein" anzustimmen - dreimal muss er ihn wieder abbrechen. Zuerst will sich noch unbemerkt eine Frau auf ihren Platz stehlen, danach stören ihn dröhnende Signale im Ohr. "Wenn ich hier gleich umfalle, macht einfach ohne mich weiter". Der 72-Jährige weiß es, sein Publikum zu unterhalten - und führt zweieinhalb Stunden durch einen abwechslungsreichen Abend.
Klaus Hoffmann spricht sich für mehr Miteinander aus
Von der ersten Minute an geht Klaus Hoffmann beim "Gewaltig leise"-Festival an der Krusenkoppel mit seinem Publikum auf Kuschelkurs. "Eines Tages ziehen wir nach Kiel", erzählt der gebürtige Berliner und legt sogar noch nach:"Ihr seid das beste Publikum der Welt". Dann streift er entlang der Reihen, bleibt dicht vor den Zuschauern stehen, beugt sich runter und singt knapp vor den Gesichtern der Gäste weiter. Den Besuchern gefällt die offene Art, sie begrüßen die Aktionen mit ordentlich Applaus.
Ansonsten schlägt der gebürtige Berliner eher ruhige, melancholische Töne an. Eine Gitarre, ein Klavier und seinen jahrelangen Begleite Hawo Bleich im Gepäck - viel mehr braucht er nicht, um sein Publikum in den Bann zu ziehen. Schon zu Beginn werden Handys gezückt, mitgeschaukelt oder im Takt geklatscht. Nur wenige Plätze sind im Freilichttheater freigeblieben - am Zaun stehen zusätzlich einige Schaulustige und beobachten das Geschehen aus dem Park.
Zwischen den Liedern wird es persönlich: Klaus Hoffmann erzählt viel von seiner Kindheit in Berlin, der Nachkriegszeit, dem Tod seines Vaters und seiner Frau Malene. "Ich singe über Geschichten, die ich kenne", sagt der 72-jährige. "Einschneidende Erlebnisse, die micht geprägt haben." Und davon hatte er in seiner fast 50-jährigen Musikerkarriere viele erlebt - brachte insgesamt 24 Alben heraus.
Doch er spricht auch über das Jetzt, bezieht eine politische Stellung und hat vor allem eine klare Forderung: "Der Krieg und Hass muss aufhören." Mit dem Song "Das Ende aller Tage" setzt er sich beispielsweise für eine offene Flüchtlingspolitik ein. Vorne am Eingang sammelt sein Team Spenden für alle Frauen in Afghanistan. Es wird deutlich: Dieser Abend ist mehr als ein Konzert, es ist ein klares Statement für mehr Miteinander.
Nur mit dem Mitsingen tun sich die Zuschauer etwas schwer. Bei dem Lied "Jedes Kind braucht einen Engel" muss der Sänger die Zuschauer zweimal auffordern, bevor sie ihn im Chor begleiten. Das tut der Stimmung aber keinen Abbruch. Inmitten der Bäume wirkt das Szenario fast ein bißchen wie ein Ruhepol vor dem Trubel der Kieler Woche 2023. Lediglich das Hämmern eines lauten Basses erinnert daran, dasss vor den Türen des Freilichttheaters Menschenmassen feiern.
Nach der Pause gibt Klaus Hoffmann noch einmal doppelt Gas und ärgert die Männer im Publikum. "Früher bin ich meinen Freunden immer gerne durchs Haar gefahren", erzählt er. Anschließend schleicht der Liedermacher durch die Reihen, stoppt bei drei Männern mit Glatze und streicht ihnen beherzt über den kahlen Kopf. "Deinetwegen hat Kiel endlich einen Flugplatz", witzelt der 72-jährige. Der angesprochene Mann nimmt es mit Humor und lacht.
Ohne großes Aufsehen schleicht sich auch noch ein besonderer Gast in der zweiten Hälfte auf seinen Platz. Oberbürgermeister Ulf Kämpfer genießt gemeinsam mit Freunden das Konzert. Nach zweieinhalb Stundne mit Standing Ovations und einer Zugabe ist dann Schluss. "Ich wünsche euch viel Glück und die Kraft, euch jeden Tag den Krisen der Welt zu stellen", verabschiedet sich Klaus Hoffmann.
Berliner-Abendblatt: Klaus Hoffmanns melancholische Verheissungen.
Klaus Hoffmann sitzt mit seiner Gitarre auf dem Sofa.
Klaus Hoffmann sitzt mit seiner Gitarre auf dem Sofa.
Vom 22. bis 26. November gastiert der gebürtige Charlottenburger Klaus Hoffmann endlich mal wieder in der Bar jeder Vernunft. Im Gepäck hat er vor allem die Lieder seines aktuellen Albums „Septemberherz“, das er im August vergangenen Jahres im Musenzelt an der Schaperstraße erstmals der Öffentlichkeit präsentierte.
Berührende Lieder
Die ersten Takte von „Septemberherz“ sind eine Verheißung. Sanfte Gitarrenklänge, dazu die Stimme von Klaus Hoffmann, ausdrucksstark und verführerisch; eingängige Melodien in strahlenden Akustik-Arrangements zwischen Chanson, Jazz, Latin und Pop, verwoben mit seiner poetischen Sprache. Fünfzehn neue Lieder hat Klaus Hoffmann geschrieben. Sie alle erzählen ihre Geschichten auf diese so typische Hoffmann-Art in wild-romantischen Bildern, sind voller Liebe, Fernweh, Hoffnung und auf berührende Weise trunken von Melancholie.
An seinem siebzigsten Lebensjahr wagte er einen Blick zurück, nicht auf larmoyante Art, er zieht eine kluge Zwischenbilanz, die sich auf das Beste seines künstlerischen Schaffens besinnt. Eine Essenz quasi, eine Momentaufnahme, kurz vor dem Sprung zur nächsten kreativen Höchstleistung. Denn der Sänger ist und bleibt ein Reisender, ein Unermüdlicher, der nie stehen bleibt.
Große Show
Die Lieder reihen sich aneinander wie ein künstlerischer Lebenslauf, von den ersten Auftritten in West-Berliner Szenekneipen bis zur großen Show in der Berliner Philharmonie. Seine persönlichen Erfahrungen von der Kindheit in Charlottenburg, dem frühen Tod seines Vaters bis zur großen Liebe zu seiner Frau Malene prägen seine wahrhaftige Liedkunst. Mit „Ich würd es wieder tun“ endet das Programm, und dafür wird Klaus Hoffmann der Applaus sicher sein.
Letzte Vorstellung
Untrennbar ist sein Name spätestens seit 1997 mit dem unsterblichen Chansonnier verbunden. Mit seinem Musical „Brel – Die letzte Vorstellung“ gelang Klaus Hoffmann etwas, was bis dato nicht einmal einem Superstar wie David Bowie gelungen war: Brels Witwe Thérèse machte ihm den Nachlass ihres Mannes zugänglich. Wie im Rausch sang und spielte Klaus Hoffmann seinen Jacques Brel. Den er aber nie kopiert hat, was ihn zu einem der besten Brel-Interpreten unserer Zeit macht.
Text: Redaktion
Berührende Lieder
Die ersten Takte von „Septemberherz“ sind eine Verheißung. Sanfte Gitarrenklänge, dazu die Stimme von Klaus Hoffmann, ausdrucksstark und verführerisch; eingängige Melodien in strahlenden Akustik-Arrangements zwischen Chanson, Jazz, Latin und Pop, verwoben mit seiner poetischen Sprache. Fünfzehn neue Lieder hat Klaus Hoffmann geschrieben. Sie alle erzählen ihre Geschichten auf diese so typische Hoffmann-Art in wild-romantischen Bildern, sind voller Liebe, Fernweh, Hoffnung und auf berührende Weise trunken von Melancholie.
An seinem siebzigsten Lebensjahr wagte er einen Blick zurück, nicht auf larmoyante Art, er zieht eine kluge Zwischenbilanz, die sich auf das Beste seines künstlerischen Schaffens besinnt. Eine Essenz quasi, eine Momentaufnahme, kurz vor dem Sprung zur nächsten kreativen Höchstleistung. Denn der Sänger ist und bleibt ein Reisender, ein Unermüdlicher, der nie stehen bleibt.
Große Show
Die Lieder reihen sich aneinander wie ein künstlerischer Lebenslauf, von den ersten Auftritten in West-Berliner Szenekneipen bis zur großen Show in der Berliner Philharmonie. Seine persönlichen Erfahrungen von der Kindheit in Charlottenburg, dem frühen Tod seines Vaters bis zur großen Liebe zu seiner Frau Malene prägen seine wahrhaftige Liedkunst. Mit „Ich würd es wieder tun“ endet das Programm, und dafür wird Klaus Hoffmann der Applaus sicher sein.
Letzte Vorstellung
Untrennbar ist sein Name spätestens seit 1997 mit dem unsterblichen Chansonnier verbunden. Mit seinem Musical „Brel – Die letzte Vorstellung“ gelang Klaus Hoffmann etwas, was bis dato nicht einmal einem Superstar wie David Bowie gelungen war: Brels Witwe Thérèse machte ihm den Nachlass ihres Mannes zugänglich. Wie im Rausch sang und spielte Klaus Hoffmann seinen Jacques Brel. Den er aber nie kopiert hat, was ihn zu einem der besten Brel-Interpreten unserer Zeit macht.
Text: Redaktion
Berliner Morgenpost, 07. November 2022: "Mit 71 kann ich's langsam"
"Septemberherz" sollte eigentlich das Programm zu seinem 70. sein. Nun tourt Klaus Hoffmann damit ein Jahr später
Peter Zander
Gerade erst hat Klaus Hoffmann in der Berliner Philharmonie gespielt, da kommt er Ende November mit seinem neuen Programm für vier Abende in die Bar jeder Vernunft, die ein klein wenig enger, aber vertrauter ist. "Septemberherz" sollte eigentlich eine Jubiläums-Show zum 70. Geburtstag des Sängers und Liedermachers sein. Aber Corona machte dem einen Strich durch die Rechnung. Jetzt ist Hoffmann ein Jahr später auf Tour - und findet die krumme 71 eigentlich ganz sympathisch. Wir sprachen ihn in seinem Büro mit dem vielsagenden Namen Stille Musik am Kurfürstendamm.
Sie waren gerade erst in der Philharmonie, jetzt kommen Sie in die Bar jeder Vernunft. Ist es das gleiche Programm, nur vor anderem Publikum?
Klaus Hoffmann: Gleiches Programm ist es bei mir ja nie. Ich ziehe Fächer mit abgelegten Einlagen, ich bin da ganz frei, jeder Abend ist deshalb anders. Das ist auch ein Lockvogel für Zuschauer, immer wieder zu kommen. Die Philharmonie habe ich ja seit 30 Jahren zu bespielen versucht. Da bin ich mit so was wie einer Band aufgetreten, also mit vier älteren Herren, die alle auch ihre eigene Geschichten miterzählen, da war ich nur das Leittier im blauen Anzug. In der Bar wird's wieder ganz intim mit meinem Pianisten, Hawo Bleich, der mich seit gefühlt 60 Jahren begleitet. Der Raum ist viel enger und viel zu heiß. Aber die Bar ist ja so was wie Heimat.
Sie mussten Ihre Konzerttournee "Septemberherz" wegen Corona um ein Jahr verschieben. Wie schwer fiel Ihnen das, nichts zu tun in der Lockdown-Phase?
Das sind zwei verschiedene Dinge. Ehrlich? Ich habe den Lockdown genossen. Ich hatte plötzlich ganz viel Zeit, das war toll. Ich durfte auch nicht raus, das war auch toll. Sonst bin ich ja ständig unterwegs. Aber der Rest war kümmerlich. Wenn uns die Kunst wegbricht, dann können wir einpacken. Da kamen auch alte Existenzängste wieder hoch, wie das überhaupt gehen soll. Ich hab ja auch eine eigene Firma, mit Menschen, in meiner Brust, da ist der Künstler und da der Kaufmann. Das habe ich auch mal gelernt, der Kaufmann fand aber nie gut, dass er Kaufmann war. Ich denke viel über Geld nach, und in der Zeit, wo der Künstler nichts zu tun hatte, erst recht.
Sie haben immer noch Existenzängste? Der Kaufmann in Ihnen hat nicht vorgesorgt?
Ja, ich habe Angst zu verarmen. Es gibt nichts Schlimmeres als verarmte Künstler. Und ich lebe ja auch von dem Lebensmittel Kunst. Wenn das ausbleibt, dann musst du vermögend sein, was ich nicht bin. Oder darauf warten, dass man wieder auftreten darf. Aber im Traum ist mir Reinhard Mey erschienen. Der sagte: Du wirst nicht klagen! Also werde ich nicht klagen.
Wie ist das jetzt, wieder auf der Bühne zu stehen? Wo es inzwischen ganz andere Krisen gibt, die Inflation, den Angriffskrieg auf die Ukraine, die Energiekrise? Ist der Beruf da noch wichtiger, um dagegen anzusingen? Und um die Menschen für zwei Stunden auf andere Gedanken zu bringen?
Der kleine Klaus, ja, der denkt so. Aber der große Klaus würde es so nicht sagen. Ich mach ja gern den blöden Witz: Glaube, Liebe, Hoffmann: Ich glaube, die Leute kommen auch deshalb, aber das würden sie auch nicht sagen. Das ist ein schwieriges Feld. Reinhard Mey hat gerade eine Tour hinter sich, mit 5000 Leuten jeden Abend, der ließ das erst mal weg mit der Ukraine. Aber ich bin da etwas anders. Ein Banker würde sagen, ich mache einen herzhaften Schritt an die Börse. Ich gehe da erst recht ran. Denn es ist doch so, alle haben das im Kopf, man muss auch eine Haltung dazu Ich wäre da gern noch mutiger. Aber ich bin auch froh, dass ich auf die Bühne treten kann und was sagen darf.
Und wie ist Ihr ersten Eindruck: Sind die Zuschauer nach der langen Lockdown-Phase zurück? Oder haben sie noch Angst und bleiben lieber zu Hause?
Wir leiden jetzt alle unter einem gewissen Publikumsschwund. Aber das hängt auch von der Bekanntheit ab. Richtig schwer haben's die Jungen, die noch nicht so bekannt sind. Man geht jetzt nur noch auf Nummer sicher. Aber in meinem Alter ist es auch nicht leicht. Wenn du ein Konzert ein-, zweimal verlegst, fragen sich die Leute gleich, ob du überhaupt noch mal auftrittst. Ich war schon kurz davor, zu sagen, es muss nicht mehr sein. Ich konnte mich schon damit anfreunden. Aber da gibt es auch immer eine neurotische Fluchttendenz. Die Nummer kenn ich bei mir: Meine Fußpflegerin sagte gerade zu mir, Sie machen das für immer. Das höre ich auch gern. Aber wenn du 71 bist, überfällt, was mache ich dann mit mir? Ich singe gern, ich erzähle gern Geschichten. Und dabei entsteht etwas Drittes, mit dem Publikum.
Könnten Sie je aufhören, oder ist Musik, sind Konzerte auch ein Lebenselixier?
Schwieriges Gelände. Ich bin so viel aufgetreten in meinem Leben. Wenn du älter wirst, musst du die Latte anders hängen. In den frühen Liedern kamen ja meine Eltern viel vor. Das hat sich dann irgendwann, als ich Erfolg hatte, gesättigt. Also musste etwas anderes her. So kam ich auf die Brel-Abende im Schiller Theater, um mir die Liebe zu erhalten. Denn ja, du atmest da Bühnenluft. Ich möchte irgendwann mal ein Sängerhandbuch schreiben, wo ich genau davon erzähle. Das sind Erfahrungen, die man sonst nicht nachvollziehen kann. Und das ändert sich im Alter. Ich muss mir immer wieder ein Feld schaffen, wo ich mir glaube, dass ich etwas davon habe, wenn ich auf die Bühne gehe. Ich bin ein anderer auf der Bühne. Ich gehe raus in dem blauen Anzug und dann bin ich ein anderer.
"Septemberherz" war eigentlich die Tournee zu Ihrem 70. Ist das komisch, wenn Sie das jetzt mit 71 spielen, wenn es also nicht mehr so rund ist? Oder ist das schnurz?
Schnurz ist es nicht. Ich habe mir einen Trick gebaut. ich habe mich gefreut, als ich 70 werden sollte. Jetzt freue ich mich, dass ich drüber bin. Ich kokettiere etwas damit.
Hat die 70 was mit Ihnen gemacht?
Klar hat die was mit mir gemacht. ich brauch immer länger, um das zu kapieren, dass ich 70, dass ich 71 geworden bin. Auch dafür sind meine Auftritte gut: um das zu verarbeiten. Ich schleppe immer noch diesen jungen Mann mit den Langen Haaren mit mir rum. Aber der war ja auch schon eine Maske. Die Bühne ist Leben und Tod. Wenn du 70 bist, gehst du anders damit um. Ein Glück, kann ich noch damit kokettieren: 90 Prozent an mir ist echt. Ich bin dick, das Kind in mir ist gewachsen. Das sind alles so Sprüche. Also ich liebe es einfach, auf der Bühne zu stehen mit diesem komischen Anzug. Aber das Publikum macht das mit. Ich glaube, ich würde das auch umsonst machen. Aber das geht ja nicht. Als ich zurückkam von der Tour, hat gleich das Finanzamt nachgeharkt.
Darf ich noch was Grundsätzliches fragen? Wie sind Sie eigentlich Sänger geworden. Sie haben ja als Schauspieler begonnen.
#...und "Die neuen Leiden des jungen W." waren mein Opener, wie man so sagt Ich kam gerade aus der Schauspielschule. Das war eine sehr gefährliche Zeit, ich hatte schnell Erfolg und musste damit umgehen. Und war sehr skeptisch mit dem Gewerbe. Aber schon während der Schauspielschule habe ich abends immer in Clubs gesungen. Und damit ganz gut verdient. Aber der Sänger, der Schauspieler, das ist alles eins. Der Schauspieler war nie weg, der hat sich bewahrt.
Haben Sie's nicht trotzdem manchmal bedauert, nicht öfter gespielt zu haben?
Sie Fuchs? Ich ahnte, dass Sie das fragen. Aber ja, oft. Ich hätte mit Bergman und Godard drehen können. Es kamen auch Angebote für "Schöner Gigolo, armer Gigolo" mit Marlene Dietrich! Aber Boy Gobert hat mir damals am Thalia Theater nicht freigegeben, das hat dann David Bowie gekriegt. Echt bereut habe ich "Väter und Söhne" mit Burt Lancester. Meine Rolle hat dann Grönemeyer übernommen. Der ist ja auch Sänger geworden. Sinkel wollte mit mir nach Amerika, ich habe erst später kapiert, der wollte den Hemingway-Mehrteiler mit mir drehen. Aber ich musste ablehnen, weil ich schon eine Tournee hatte. Ich war dann als Schauspieler irgendwie weg aus den Köpfen. Aber der Schauspieler ist viel näher, als Sie denken. Ich bin ein Schauspieler, der seine eigenen Texte singt. Und erst nach einer Zeit habe ich es wirklich geschafft, singen zu können. jetzt mit 70 - ach: Mit 71, finde ich, kann ich's langsam.
Bar jeder Vernunft, 22.-24. und 26.11., 20 Uhr
Gerade erst hat Klaus Hoffmann in der Berliner Philharmonie gespielt, da kommt er Ende November mit seinem neuen Programm für vier Abende in die Bar jeder Vernunft, die ein klein wenig enger, aber vertrauter ist. "Septemberherz" sollte eigentlich eine Jubiläums-Show zum 70. Geburtstag des Sängers und Liedermachers sein. Aber Corona machte dem einen Strich durch die Rechnung. Jetzt ist Hoffmann ein Jahr später auf Tour - und findet die krumme 71 eigentlich ganz sympathisch. Wir sprachen ihn in seinem Büro mit dem vielsagenden Namen Stille Musik am Kurfürstendamm.
Sie waren gerade erst in der Philharmonie, jetzt kommen Sie in die Bar jeder Vernunft. Ist es das gleiche Programm, nur vor anderem Publikum?
Klaus Hoffmann: Gleiches Programm ist es bei mir ja nie. Ich ziehe Fächer mit abgelegten Einlagen, ich bin da ganz frei, jeder Abend ist deshalb anders. Das ist auch ein Lockvogel für Zuschauer, immer wieder zu kommen. Die Philharmonie habe ich ja seit 30 Jahren zu bespielen versucht. Da bin ich mit so was wie einer Band aufgetreten, also mit vier älteren Herren, die alle auch ihre eigene Geschichten miterzählen, da war ich nur das Leittier im blauen Anzug. In der Bar wird's wieder ganz intim mit meinem Pianisten, Hawo Bleich, der mich seit gefühlt 60 Jahren begleitet. Der Raum ist viel enger und viel zu heiß. Aber die Bar ist ja so was wie Heimat.
Sie mussten Ihre Konzerttournee "Septemberherz" wegen Corona um ein Jahr verschieben. Wie schwer fiel Ihnen das, nichts zu tun in der Lockdown-Phase?
Das sind zwei verschiedene Dinge. Ehrlich? Ich habe den Lockdown genossen. Ich hatte plötzlich ganz viel Zeit, das war toll. Ich durfte auch nicht raus, das war auch toll. Sonst bin ich ja ständig unterwegs. Aber der Rest war kümmerlich. Wenn uns die Kunst wegbricht, dann können wir einpacken. Da kamen auch alte Existenzängste wieder hoch, wie das überhaupt gehen soll. Ich hab ja auch eine eigene Firma, mit Menschen, in meiner Brust, da ist der Künstler und da der Kaufmann. Das habe ich auch mal gelernt, der Kaufmann fand aber nie gut, dass er Kaufmann war. Ich denke viel über Geld nach, und in der Zeit, wo der Künstler nichts zu tun hatte, erst recht.
Sie haben immer noch Existenzängste? Der Kaufmann in Ihnen hat nicht vorgesorgt?
Ja, ich habe Angst zu verarmen. Es gibt nichts Schlimmeres als verarmte Künstler. Und ich lebe ja auch von dem Lebensmittel Kunst. Wenn das ausbleibt, dann musst du vermögend sein, was ich nicht bin. Oder darauf warten, dass man wieder auftreten darf. Aber im Traum ist mir Reinhard Mey erschienen. Der sagte: Du wirst nicht klagen! Also werde ich nicht klagen.
Wie ist das jetzt, wieder auf der Bühne zu stehen? Wo es inzwischen ganz andere Krisen gibt, die Inflation, den Angriffskrieg auf die Ukraine, die Energiekrise? Ist der Beruf da noch wichtiger, um dagegen anzusingen? Und um die Menschen für zwei Stunden auf andere Gedanken zu bringen?
Der kleine Klaus, ja, der denkt so. Aber der große Klaus würde es so nicht sagen. Ich mach ja gern den blöden Witz: Glaube, Liebe, Hoffmann: Ich glaube, die Leute kommen auch deshalb, aber das würden sie auch nicht sagen. Das ist ein schwieriges Feld. Reinhard Mey hat gerade eine Tour hinter sich, mit 5000 Leuten jeden Abend, der ließ das erst mal weg mit der Ukraine. Aber ich bin da etwas anders. Ein Banker würde sagen, ich mache einen herzhaften Schritt an die Börse. Ich gehe da erst recht ran. Denn es ist doch so, alle haben das im Kopf, man muss auch eine Haltung dazu Ich wäre da gern noch mutiger. Aber ich bin auch froh, dass ich auf die Bühne treten kann und was sagen darf.
Und wie ist Ihr ersten Eindruck: Sind die Zuschauer nach der langen Lockdown-Phase zurück? Oder haben sie noch Angst und bleiben lieber zu Hause?
Wir leiden jetzt alle unter einem gewissen Publikumsschwund. Aber das hängt auch von der Bekanntheit ab. Richtig schwer haben's die Jungen, die noch nicht so bekannt sind. Man geht jetzt nur noch auf Nummer sicher. Aber in meinem Alter ist es auch nicht leicht. Wenn du ein Konzert ein-, zweimal verlegst, fragen sich die Leute gleich, ob du überhaupt noch mal auftrittst. Ich war schon kurz davor, zu sagen, es muss nicht mehr sein. Ich konnte mich schon damit anfreunden. Aber da gibt es auch immer eine neurotische Fluchttendenz. Die Nummer kenn ich bei mir: Meine Fußpflegerin sagte gerade zu mir, Sie machen das für immer. Das höre ich auch gern. Aber wenn du 71 bist, überfällt, was mache ich dann mit mir? Ich singe gern, ich erzähle gern Geschichten. Und dabei entsteht etwas Drittes, mit dem Publikum.
Könnten Sie je aufhören, oder ist Musik, sind Konzerte auch ein Lebenselixier?
Schwieriges Gelände. Ich bin so viel aufgetreten in meinem Leben. Wenn du älter wirst, musst du die Latte anders hängen. In den frühen Liedern kamen ja meine Eltern viel vor. Das hat sich dann irgendwann, als ich Erfolg hatte, gesättigt. Also musste etwas anderes her. So kam ich auf die Brel-Abende im Schiller Theater, um mir die Liebe zu erhalten. Denn ja, du atmest da Bühnenluft. Ich möchte irgendwann mal ein Sängerhandbuch schreiben, wo ich genau davon erzähle. Das sind Erfahrungen, die man sonst nicht nachvollziehen kann. Und das ändert sich im Alter. Ich muss mir immer wieder ein Feld schaffen, wo ich mir glaube, dass ich etwas davon habe, wenn ich auf die Bühne gehe. Ich bin ein anderer auf der Bühne. Ich gehe raus in dem blauen Anzug und dann bin ich ein anderer.
"Septemberherz" war eigentlich die Tournee zu Ihrem 70. Ist das komisch, wenn Sie das jetzt mit 71 spielen, wenn es also nicht mehr so rund ist? Oder ist das schnurz?
Schnurz ist es nicht. Ich habe mir einen Trick gebaut. ich habe mich gefreut, als ich 70 werden sollte. Jetzt freue ich mich, dass ich drüber bin. Ich kokettiere etwas damit.
Hat die 70 was mit Ihnen gemacht?
Klar hat die was mit mir gemacht. ich brauch immer länger, um das zu kapieren, dass ich 70, dass ich 71 geworden bin. Auch dafür sind meine Auftritte gut: um das zu verarbeiten. Ich schleppe immer noch diesen jungen Mann mit den Langen Haaren mit mir rum. Aber der war ja auch schon eine Maske. Die Bühne ist Leben und Tod. Wenn du 70 bist, gehst du anders damit um. Ein Glück, kann ich noch damit kokettieren: 90 Prozent an mir ist echt. Ich bin dick, das Kind in mir ist gewachsen. Das sind alles so Sprüche. Also ich liebe es einfach, auf der Bühne zu stehen mit diesem komischen Anzug. Aber das Publikum macht das mit. Ich glaube, ich würde das auch umsonst machen. Aber das geht ja nicht. Als ich zurückkam von der Tour, hat gleich das Finanzamt nachgeharkt.
Darf ich noch was Grundsätzliches fragen? Wie sind Sie eigentlich Sänger geworden. Sie haben ja als Schauspieler begonnen.
#...und "Die neuen Leiden des jungen W." waren mein Opener, wie man so sagt Ich kam gerade aus der Schauspielschule. Das war eine sehr gefährliche Zeit, ich hatte schnell Erfolg und musste damit umgehen. Und war sehr skeptisch mit dem Gewerbe. Aber schon während der Schauspielschule habe ich abends immer in Clubs gesungen. Und damit ganz gut verdient. Aber der Sänger, der Schauspieler, das ist alles eins. Der Schauspieler war nie weg, der hat sich bewahrt.
Haben Sie's nicht trotzdem manchmal bedauert, nicht öfter gespielt zu haben?
Sie Fuchs? Ich ahnte, dass Sie das fragen. Aber ja, oft. Ich hätte mit Bergman und Godard drehen können. Es kamen auch Angebote für "Schöner Gigolo, armer Gigolo" mit Marlene Dietrich! Aber Boy Gobert hat mir damals am Thalia Theater nicht freigegeben, das hat dann David Bowie gekriegt. Echt bereut habe ich "Väter und Söhne" mit Burt Lancester. Meine Rolle hat dann Grönemeyer übernommen. Der ist ja auch Sänger geworden. Sinkel wollte mit mir nach Amerika, ich habe erst später kapiert, der wollte den Hemingway-Mehrteiler mit mir drehen. Aber ich musste ablehnen, weil ich schon eine Tournee hatte. Ich war dann als Schauspieler irgendwie weg aus den Köpfen. Aber der Schauspieler ist viel näher, als Sie denken. Ich bin ein Schauspieler, der seine eigenen Texte singt. Und erst nach einer Zeit habe ich es wirklich geschafft, singen zu können. jetzt mit 70 - ach: Mit 71, finde ich, kann ich's langsam.
Bar jeder Vernunft, 22.-24. und 26.11., 20 Uhr
Lieder voller Lebensgeschichte
Klaus Hoffman gastierte in Bergneustadt - Hoffnungsvoller Rückblick auf schöne Momente
Klaus Hoffman gastierte in Bergneustadt - Hoffnungsvoller Rückblick auf schöne Momente
VON FREDERIKE TSCHERNICH
Bergneustadt. Seit mehr als 50 Jahren steht Klaus Hoffmann als Liedermacher auf Bühnen, über 500 Lieder gehören zu seinem Repertoire. Angefangen in Berliner Szenekneipen, über die Aufnahme seines ersten Albums bis hin zu Deutschland-Tourneen: Der Berliner war stets auf Reisen. In seinem aktuellen Album "Septemberherz" blickt er zurück, melancholisch und doch voller Hoffnung und schöner Momente.
Im Rahmen der Bergneustädter Liedermachertage, begleitet von seinem Freund Hawo Bleich am Flügel, nahm Hoffmann am Freitag das Publikum mit auf eine poetische Reise, fesselte mit Kindheitsgeschichten aus einem geteilten Berlin, über Sehnsüchte und große Ziele, und Schilderungen seiner ersten Auftritte. Mit "Da wird eine Insel sein" begann Hoffmann, begleitet von ruhigen Klaviertönen, sein Konzert. Früheste Kindheitserinnerungen folgen, als er von Berlin in der Nachkriegszeit erzählt und "In meinem Kiez" singt. Die Leute waren geplagt von Ängsten, sein "Vati" ging tagsüber ins Finazamt und spielte abends Geige, ohne seine künstlerischen Ambitionen zu verwirklichen. "Die Zeit war so, dass Berlin aufbrach wie eine Blume, alle hatten ihre Sehnsüchte", erinnert Hoffmann sich.
Sein Vater starb früh, an Krankheit leidend, und Hoffmann war gepackt von Fernweh und Existenzängsten zugleich. "Ich wollte immer raus, ein anderer sein", sagte er zwischen seinen Liedern. Ein eigenes, sein eigenes Lied habe er sich gewünscht.
Zurück in die 1968er Jahre
In die Zeit zurück zu seinen ersten Auftritten, damals um 1968, versetzt sich Hoffmann nach dem Lied "Wenn ich's hier schaff, schaff ich's überall". Alle wollten raus:" Alle träumten von Kanada und Amerika, alle sangen Englisch, teils auch sehr unverständlich", erinnert der 71-jährige sich, er blieb bei Deutsch. Ob man die 70er als besonders empfunden habe- "Im Rückblick ja", sagt der Liedermacher im Gespräch. Aber so sei das bei Reisen, im Rückblick sind sie immer toll, aber es sei gut, dass man sich überhaupt bewegt habe. Mit "Amsterdam" verabschiedet Hoffmann sich in die Pause, bevor er in der zweiten Hälfte während "Treppe ruff, Treppe runter" den Text wörtlich nimmt und die Treppe vor Bühne hinuntersteigt, um mit dem Publikum in der ersten Reihe in Kontakt zu kommen.
"Der Star kommt jetzt ins Publikum", verkündet er. Auch vor dem Altern macht seine Lebensreise keinen Halt. Das Leben könne man vergleichen mit einem Konzert, bestehend aus Anfang, Mitte und Schluss."Und irgenwann zieht einer den Stecker und dann ist es aus".Mit mehreren Zugaben, Standing Ovations und "Mein Weg ist mein Weg" verabschiedete sich Hoffmann aus Bergneustadt.
Bergneustadt. Seit mehr als 50 Jahren steht Klaus Hoffmann als Liedermacher auf Bühnen, über 500 Lieder gehören zu seinem Repertoire. Angefangen in Berliner Szenekneipen, über die Aufnahme seines ersten Albums bis hin zu Deutschland-Tourneen: Der Berliner war stets auf Reisen. In seinem aktuellen Album "Septemberherz" blickt er zurück, melancholisch und doch voller Hoffnung und schöner Momente.
Im Rahmen der Bergneustädter Liedermachertage, begleitet von seinem Freund Hawo Bleich am Flügel, nahm Hoffmann am Freitag das Publikum mit auf eine poetische Reise, fesselte mit Kindheitsgeschichten aus einem geteilten Berlin, über Sehnsüchte und große Ziele, und Schilderungen seiner ersten Auftritte. Mit "Da wird eine Insel sein" begann Hoffmann, begleitet von ruhigen Klaviertönen, sein Konzert. Früheste Kindheitserinnerungen folgen, als er von Berlin in der Nachkriegszeit erzählt und "In meinem Kiez" singt. Die Leute waren geplagt von Ängsten, sein "Vati" ging tagsüber ins Finazamt und spielte abends Geige, ohne seine künstlerischen Ambitionen zu verwirklichen. "Die Zeit war so, dass Berlin aufbrach wie eine Blume, alle hatten ihre Sehnsüchte", erinnert Hoffmann sich.
Sein Vater starb früh, an Krankheit leidend, und Hoffmann war gepackt von Fernweh und Existenzängsten zugleich. "Ich wollte immer raus, ein anderer sein", sagte er zwischen seinen Liedern. Ein eigenes, sein eigenes Lied habe er sich gewünscht.
Zurück in die 1968er Jahre
In die Zeit zurück zu seinen ersten Auftritten, damals um 1968, versetzt sich Hoffmann nach dem Lied "Wenn ich's hier schaff, schaff ich's überall". Alle wollten raus:" Alle träumten von Kanada und Amerika, alle sangen Englisch, teils auch sehr unverständlich", erinnert der 71-jährige sich, er blieb bei Deutsch. Ob man die 70er als besonders empfunden habe- "Im Rückblick ja", sagt der Liedermacher im Gespräch. Aber so sei das bei Reisen, im Rückblick sind sie immer toll, aber es sei gut, dass man sich überhaupt bewegt habe. Mit "Amsterdam" verabschiedet Hoffmann sich in die Pause, bevor er in der zweiten Hälfte während "Treppe ruff, Treppe runter" den Text wörtlich nimmt und die Treppe vor Bühne hinuntersteigt, um mit dem Publikum in der ersten Reihe in Kontakt zu kommen.
"Der Star kommt jetzt ins Publikum", verkündet er. Auch vor dem Altern macht seine Lebensreise keinen Halt. Das Leben könne man vergleichen mit einem Konzert, bestehend aus Anfang, Mitte und Schluss."Und irgenwann zieht einer den Stecker und dann ist es aus".Mit mehreren Zugaben, Standing Ovations und "Mein Weg ist mein Weg" verabschiedete sich Hoffmann aus Bergneustadt.
Pfälzische Volkszeitung 04.11.2022:
Aus zwei mach eins - Klaus Hoffmann interpretiert Jacques Brel im Kulturzentrum Kammgarn
Aus zwei mach eins - Klaus Hoffmann interpretiert Jacques Brel im Kulturzentrum Kammgarn
VON ANDREAS KELLER
Eine Hommage an einen berühm-
ten, bereits verstorbenen Musiker
ist schon eine besondere Sache.
Wenn der ausführende Interpret
dabei ebenso emotional hochste-
hend wie technisch versiert den zu
Verehrenden greifbar werden lässt
und ihn nicht nur etwa schnöde imi-
tiert, dann ist das eine noch außer-
gewöhnlichere Angelegenheit. So
geschehen am Mittwochabend im
voll besetzten Kasino der Kamm-
garn, als Sänger Klaus Hoffmann
dem belgischen Chansonnier
Jacques Brel über zwei Stunden lang
eine neue, tiefe und deutschsprachi-
ge Identität auf der höchstmögli-
chen Qualitätsebene einer Interpre-
tation verlieh.
Auf der einen Seite dieser Ebene:
Jacques Brel (1929 bis 1978), einer
der bekanntesten Vertreter des fran-
zösischen Chanson, der seinerzeit mit
seinen auf der Bühne mit umwerfen-
der Dynamik vorgetragenen Titeln
über die Liebe, den Tod und die Ge-
sellschaft für Furore sorgte. Und der
bis heute nachwirkt: Titel wie „Ams-
terdam“ und „Le Moribond“ kennt
man auch außerhalb der Chanson-
Welt.
Auf der anderen Seite: der Berliner
Musiker, Autor und Schauspieler
Klaus Hoffmann, Jahrgang 1951, mit
eigenen Kompositionen erfolgreich
und seit langem auch als der deutsche
Jacques-Brel-Interpret schlechthin
bekannt. Vieles von dem, was Brel
einst in seinen Chansons beschrieb
und mit seiner Musik bewirkte, (be-
)traf auch den jungen Klaus Hoff-
mann, der sich damit aus den Zwän-
gen der Gesellschaft seiner Zeit und
Umgebung zu befreien suchte.
Qualität und Unterhaltung
Seit seiner ersten von mittlerweile
über 40 Produktionen publiziert der
vielfach preisgekrönte Künstler nun
gut interpretierte Brel-Chansons mit
deutschen Texten, in der Regel aus
seiner eigenen Feder. 1996 schuf er
über den Kontakt mit Brels Witwe
Therèse das erfolgreiche Musical
„Brel – die letzte Vorstellung“. Und
zum 30. Todestag des Belgiers spielte
Klaus Hoffmann interpretiert Jacques Brel im Kulturzentrum Kammgarn
Hoffmann 2008 sogar mitten in Paris.
Wenn einer Brel kennt, fühlt und ver-
steht, dann ist es Klaus Hoffmann.
Diese große Zuneigung zum Vor-
bild war auch in der Kammgarn zu je-
der Zeit zu spüren. So erzählte Hoff-
mann in seinen launig-nachdenkli-
chen Moderationen oft erst von sich
selbst, allzumal seinen bewegten und
bewegenden Jugendjahren in Berlin,
wechselte dann fast unmerklich zur
Person und Vita Jacques Brels, die
dann schließlich in einem passenden
deutschsprachigen Chanson münde-
ten. Die Charaktere und Anekdoten
der beiden Protagonisten vermisch-
ten sich in diesem Moment, wuchsen
zu einer starken Bühnenfigur zusam-
men, die dem begeisterten Publikum
alles an Qualität, Information und Unterhaltung gaben, was es erwartet
hatte.
Ja, Bühnen-Figur – das war Hoff-
mann auch. Denn er interpretierte die
Brel-Titel nicht einfach „nur so“, sondern setzte sie meist auch noch – und zwar ganz ohne die berühmte exal-
tierte Vortragsart Brels – mit passender Mimik und Gestik fast schon szenisch um. So sang er auch schon mal an passender Stelle mit ersterbender Stimme, machte zum Ende eines tanzbaren Stücks forsche Flamenco-Schritte und ging zur Gaudi des Publikums auch schon mal mitten hinein in den Zuhörerraum. Da spürte man den gelernten Schauspieler.
Mit viel Gefühl
So ging es Schlag auf Schlag, folgten
auf die erwähnten Moderationen mit
kühnen Gedankensprüngen in jünge-
re Zeiten (in denen dann auch mal et-
wa Heidi Klum oder das SPD-Partei-
programm Erwähnung fanden) die
ungezählten Brel-Titel in neuem
sprachlichen Gewand: „So sind hier
die Leute“ (im Original „Ces gens-là“),
„Amsterdam“, „Marieke“, „Mein Flan-
derland“ („Le Plat Pays“) und „Geh
nicht fort von mir“ (bei Brel „Ne me
quitte pas“) – alles mit viel Gefühl
und, von ein paar Ausnahmen mit Gi-
tarrenbegleitung abgesehen, nur un-
terstützt vom Hans-Wolfgang Bleich
am Flügel. Der seit Jahrzehnten treue
musikalische Weggefährte Klaus
Hoffmanns diente außer als stummer
Ansprechpartner für Hoffmanns Zwi-
schen-Moderationen vor allem als
zurückhaltender, aber verlässlicher
Unterstützer. Ohne ihn und sein so
virtuos wie einfühlsames Spiel hätte
der Abend in dieser runden Form
nicht gelingen können.
Und dann der Zugabenteil. Jacques
Brel gab grundsätzlich nie einen.
Hoffmann und Bleich aber durchaus.
Und was für einen. Da gab es vor al-
lem „Adieu Emile“, das tief unter die
Haut gehende Abschiedslied eines
Sterbenden. Bei Brel hieß das Stück
„Le Moribond“, 1973 avancierte es in
aufgebohrter Version als „Seasons in
the Sun“ zu einem Welthit. Hoffmann
interpretierte es in seiner Version
ganz am Ende mit unglaublicher Kraft
und Emotion als würdigen Abschluss
eines lang erwarteten, zuvor schon
zweimal verschobenen Konzert-
abends.
Eine Hommage an einen berühm-
ten, bereits verstorbenen Musiker
ist schon eine besondere Sache.
Wenn der ausführende Interpret
dabei ebenso emotional hochste-
hend wie technisch versiert den zu
Verehrenden greifbar werden lässt
und ihn nicht nur etwa schnöde imi-
tiert, dann ist das eine noch außer-
gewöhnlichere Angelegenheit. So
geschehen am Mittwochabend im
voll besetzten Kasino der Kamm-
garn, als Sänger Klaus Hoffmann
dem belgischen Chansonnier
Jacques Brel über zwei Stunden lang
eine neue, tiefe und deutschsprachi-
ge Identität auf der höchstmögli-
chen Qualitätsebene einer Interpre-
tation verlieh.
Auf der einen Seite dieser Ebene:
Jacques Brel (1929 bis 1978), einer
der bekanntesten Vertreter des fran-
zösischen Chanson, der seinerzeit mit
seinen auf der Bühne mit umwerfen-
der Dynamik vorgetragenen Titeln
über die Liebe, den Tod und die Ge-
sellschaft für Furore sorgte. Und der
bis heute nachwirkt: Titel wie „Ams-
terdam“ und „Le Moribond“ kennt
man auch außerhalb der Chanson-
Welt.
Auf der anderen Seite: der Berliner
Musiker, Autor und Schauspieler
Klaus Hoffmann, Jahrgang 1951, mit
eigenen Kompositionen erfolgreich
und seit langem auch als der deutsche
Jacques-Brel-Interpret schlechthin
bekannt. Vieles von dem, was Brel
einst in seinen Chansons beschrieb
und mit seiner Musik bewirkte, (be-
)traf auch den jungen Klaus Hoff-
mann, der sich damit aus den Zwän-
gen der Gesellschaft seiner Zeit und
Umgebung zu befreien suchte.
Qualität und Unterhaltung
Seit seiner ersten von mittlerweile
über 40 Produktionen publiziert der
vielfach preisgekrönte Künstler nun
gut interpretierte Brel-Chansons mit
deutschen Texten, in der Regel aus
seiner eigenen Feder. 1996 schuf er
über den Kontakt mit Brels Witwe
Therèse das erfolgreiche Musical
„Brel – die letzte Vorstellung“. Und
zum 30. Todestag des Belgiers spielte
Klaus Hoffmann interpretiert Jacques Brel im Kulturzentrum Kammgarn
Hoffmann 2008 sogar mitten in Paris.
Wenn einer Brel kennt, fühlt und ver-
steht, dann ist es Klaus Hoffmann.
Diese große Zuneigung zum Vor-
bild war auch in der Kammgarn zu je-
der Zeit zu spüren. So erzählte Hoff-
mann in seinen launig-nachdenkli-
chen Moderationen oft erst von sich
selbst, allzumal seinen bewegten und
bewegenden Jugendjahren in Berlin,
wechselte dann fast unmerklich zur
Person und Vita Jacques Brels, die
dann schließlich in einem passenden
deutschsprachigen Chanson münde-
ten. Die Charaktere und Anekdoten
der beiden Protagonisten vermisch-
ten sich in diesem Moment, wuchsen
zu einer starken Bühnenfigur zusam-
men, die dem begeisterten Publikum
alles an Qualität, Information und Unterhaltung gaben, was es erwartet
hatte.
Ja, Bühnen-Figur – das war Hoff-
mann auch. Denn er interpretierte die
Brel-Titel nicht einfach „nur so“, sondern setzte sie meist auch noch – und zwar ganz ohne die berühmte exal-
tierte Vortragsart Brels – mit passender Mimik und Gestik fast schon szenisch um. So sang er auch schon mal an passender Stelle mit ersterbender Stimme, machte zum Ende eines tanzbaren Stücks forsche Flamenco-Schritte und ging zur Gaudi des Publikums auch schon mal mitten hinein in den Zuhörerraum. Da spürte man den gelernten Schauspieler.
Mit viel Gefühl
So ging es Schlag auf Schlag, folgten
auf die erwähnten Moderationen mit
kühnen Gedankensprüngen in jünge-
re Zeiten (in denen dann auch mal et-
wa Heidi Klum oder das SPD-Partei-
programm Erwähnung fanden) die
ungezählten Brel-Titel in neuem
sprachlichen Gewand: „So sind hier
die Leute“ (im Original „Ces gens-là“),
„Amsterdam“, „Marieke“, „Mein Flan-
derland“ („Le Plat Pays“) und „Geh
nicht fort von mir“ (bei Brel „Ne me
quitte pas“) – alles mit viel Gefühl
und, von ein paar Ausnahmen mit Gi-
tarrenbegleitung abgesehen, nur un-
terstützt vom Hans-Wolfgang Bleich
am Flügel. Der seit Jahrzehnten treue
musikalische Weggefährte Klaus
Hoffmanns diente außer als stummer
Ansprechpartner für Hoffmanns Zwi-
schen-Moderationen vor allem als
zurückhaltender, aber verlässlicher
Unterstützer. Ohne ihn und sein so
virtuos wie einfühlsames Spiel hätte
der Abend in dieser runden Form
nicht gelingen können.
Und dann der Zugabenteil. Jacques
Brel gab grundsätzlich nie einen.
Hoffmann und Bleich aber durchaus.
Und was für einen. Da gab es vor al-
lem „Adieu Emile“, das tief unter die
Haut gehende Abschiedslied eines
Sterbenden. Bei Brel hieß das Stück
„Le Moribond“, 1973 avancierte es in
aufgebohrter Version als „Seasons in
the Sun“ zu einem Welthit. Hoffmann
interpretierte es in seiner Version
ganz am Ende mit unglaublicher Kraft
und Emotion als würdigen Abschluss
eines lang erwarteten, zuvor schon
zweimal verschobenen Konzert-
abends.
Die Rheinpfalz, 31. Oktober 2022:
Dramen in Chansons gegossen.
Dramen in Chansons gegossen.
Interview: Klaus Hoffmann über sein Leben und seine Musik
In Berlin-Charlottenburg entstanden seine ersten Lieder. Kurz vor der Pan- demie ist Klaus Hoffmann mit neuen Songs dorthin zurückgekehrt. Im Stu- dio in der Wilmersdorfer Straße nahm er mit seiner Band die 15 Chansons fürs aktuelle Album „Septemberherz" auf. Am kommenden Mittwoch gastiert der 72-jährige Musiker und Schauspieler im Kaiserslauterer Kul- turzentrum Kammgarn (Karten im Vorver-kauf und an der Abendkasse). Mit ihm sprach RHEINPFALZ-Mitarbeiter Olaf Neumann.
Künstler sind Getriebene im positiven Sinne, die ständig Neues wagen und der Gesellschaft den Spiegel vorhalten. Sie waren viele Monate unfreiwillig zu Hause. Bekommt Ihnen das ruhige Leben?
Ich bin diese Löcher gewohnt, aber ge- trieben bleibe ich wohl ein Leben lang. Es ist ein innerer Motor, von Kind an habe ich diese Energie verspürt. Sie kann dich auch rastlos machen. Durch das Virus wird auch sichtbar, dass viele Leute nicht mehr wissen, wie sie finanziell zurechtkommen sollen. Die Situation der Theater und Klubs war vor Corona genauso wie heute, nur katapultierte der Stillstand alles sichtbar hoch. Gleichzeitig Unsicherheit. Man weiß nicht, wie es weitergehen soll.
Im retrospektiven Lied „Denk ich an Dich mein Leben" sagen Sie danke für jeden Leistenbruch. Haben Sie schon einige Krisen durchlebt?
Na klar, das ging bei mir nie so leicht und glatt. Vielleicht war es besser so, als immerfort verwöhnt zu werden.
Sie sind 1969 als junger Hippie mit einem Freund auf eigene Faust durchs vermeintlich märchenhafte Afghanistan gereist, was Sie mehrfach in lebensbedrohliche Situationen brachte. War Ihre Gitarre stets an Ihrer Seite? Meine Gitarre habe ich bewusst zu Hause gelassen. Heute verstehe ich nicht, warum ich sie nicht mitnahm. Ich wollte wahrscheinlich nicht als Sänger, sondern als Typ unterwegs sein, irgendwie selbst werden. Die Gi- tarre störte dabei, richtig echt zu sein. Ich bin mein Leben lang mit einer immer wiederkehrenden Frage herumgelaufen: Wer bin ich und wo gehe ich hin? Dabei kannst du auch verloren gehen, aber ich habe mich durch die
Hilfe vieler guter Menschen immer wieder gefunden. Gleichzeitig auch immer wieder Ecken gesucht, wo ich auf die Nase fiel. Ich bin froh, dass ich von meiner ersten Afghanistanreise heil zurückgekommen bin.
Was war daran so extrem?
Ich hatte kein Geld. Auch das Auto hatten wir durch einen Unfall verloren. Wir waren schutzlos. Die Hippies, mit denen ich zusammen war, machten mir Angst, weil sie mehr oder weniger auf Droge waren. Bis wir in Kabul einen Engländer und einen Australier, kennen lernten und mit denen in den Norden zogen. Es war gut, nicht allein zu gehen. Das schlimmste war die existenzielle Not: Ich hatte kein Geld, wurde krank und wusste nicht, wie ich zurückkommen sollte.
Warum sind Sie später noch einmal nach Afghanistan gereist?
Da war ich 23 oder 24 und schon an der Schauspielschule. Das war für mich mehr wie ein Urlaub. Ich merke jetzt, dass ich damit den Weg meines Vaters gegangen bin. Ich wollte etwas abtragen, kämpfen, selbstständig sein, weg von Muttern, hin zu mir. Viel- leicht auch aus einer alten Schuld ihm gegenüber. Wegen einer schweren Diabetes war er dazu nicht in der Lage, ich aber durfte leben.
Sie sind Afghanistan bis heute verbun- den geblieben. Über die Spendenplatt- form „Musik bewegt" haben Sie vor ei- niger Zeit Geld für die Roschani-Mäd- chenschule im afghanischen Ghazni ge-
sammelt.
Ja, Herbert Grönemeyer hat die Stif- tung „Musik bewegt" gegründet. Und der viel zu früh verstorbene, wunderbare Roger Willemsen hatte uns alle
noch dazu anstiften können, Afghanis- tan und seine Menschen nicht zu ver- gessen. Ich sammle für diese Frauen Spenden in jedem meiner Konzerte. Afghanistan ist ein Schlüssel in mei- nem Leben.
Das Lied „Was sie trugen" hat durch den Ukrainekrieg an Aktualität ge- wonnen. Sie singen über Menschen, die aus purer Not in ihr gelobtes Land fliehen. Fühlen Sie mit den Geflüchteten? Ja, das kann ich. Ich habe einen großen Respekt vor denjenigen, die sich für Geflüchtete engagieren. Ich kenne diesen Moment der Flucht sehr gut, weil ich als Träumer immer dachte, das Glück liegt woanders eher als hier. Für viele Flüchtende gibt es keine derartige Frage. Sie müssen raus, fliehen vor Gewalt und Krieg..
Was gibt Ihnen Hoffnung?
Das ist ein Ansporn an mich selbst. Ich muss das so sehen, weil mir die Welt sonst gar nicht gefallen würde.
In „Basta" besingen Sie den neuen Hass, der freundlich, klug und auch nicht befremdlich daherkomme. Wo machen
Sie die Ursachen dafür fest?
Hass ist aus vielen Gründen vorhan- den. Zum Beispiel aus Bitterkeit oder Verdummung. Hass ist ein Abschalten der eigenen Identität, Anlehnen an eine Autorität, Mitgehen wollen. Der Hass ist eine böse Geschwulst unserer eigenen Situation des Miteinanders. Verblödung oder ein sich selbst von der Gesellschaft ausgesperrt fühlen. In der Gruppe heult es sich lauter. Das sieht man auch an den USA, die immer mehr auseinanderzubrechen drohen. Trump ist nur der Eisberg. Das ist eine starke kollektive und sicher auch soziale Unsicherheit. Aber für ein Land wie Deutschland ist es ebenso gefährlich, wenn die Unsicherheiten, immer sichtbarer werden und die inneren Wertigkeiten und das Menschsein in den Hintergrund rücken. Wo die Kultur stirbt, beginnen radikale Sichtweisen an die Oberfläche zu kommen.
Hält die Politik die Kunst für systemrelevant?
Ich glaube schon. Totalitäre Systeme haben sich Künstler oft zu eigen ge- macht. Kultur muss als Lebensmittel gesehen und vorhanden sein, sonst verblöden wir, die Seelen veröden. lofn
Künstler sind Getriebene im positiven Sinne, die ständig Neues wagen und der Gesellschaft den Spiegel vorhalten. Sie waren viele Monate unfreiwillig zu Hause. Bekommt Ihnen das ruhige Leben?
Ich bin diese Löcher gewohnt, aber ge- trieben bleibe ich wohl ein Leben lang. Es ist ein innerer Motor, von Kind an habe ich diese Energie verspürt. Sie kann dich auch rastlos machen. Durch das Virus wird auch sichtbar, dass viele Leute nicht mehr wissen, wie sie finanziell zurechtkommen sollen. Die Situation der Theater und Klubs war vor Corona genauso wie heute, nur katapultierte der Stillstand alles sichtbar hoch. Gleichzeitig Unsicherheit. Man weiß nicht, wie es weitergehen soll.
Im retrospektiven Lied „Denk ich an Dich mein Leben" sagen Sie danke für jeden Leistenbruch. Haben Sie schon einige Krisen durchlebt?
Na klar, das ging bei mir nie so leicht und glatt. Vielleicht war es besser so, als immerfort verwöhnt zu werden.
Sie sind 1969 als junger Hippie mit einem Freund auf eigene Faust durchs vermeintlich märchenhafte Afghanistan gereist, was Sie mehrfach in lebensbedrohliche Situationen brachte. War Ihre Gitarre stets an Ihrer Seite? Meine Gitarre habe ich bewusst zu Hause gelassen. Heute verstehe ich nicht, warum ich sie nicht mitnahm. Ich wollte wahrscheinlich nicht als Sänger, sondern als Typ unterwegs sein, irgendwie selbst werden. Die Gi- tarre störte dabei, richtig echt zu sein. Ich bin mein Leben lang mit einer immer wiederkehrenden Frage herumgelaufen: Wer bin ich und wo gehe ich hin? Dabei kannst du auch verloren gehen, aber ich habe mich durch die
Hilfe vieler guter Menschen immer wieder gefunden. Gleichzeitig auch immer wieder Ecken gesucht, wo ich auf die Nase fiel. Ich bin froh, dass ich von meiner ersten Afghanistanreise heil zurückgekommen bin.
Was war daran so extrem?
Ich hatte kein Geld. Auch das Auto hatten wir durch einen Unfall verloren. Wir waren schutzlos. Die Hippies, mit denen ich zusammen war, machten mir Angst, weil sie mehr oder weniger auf Droge waren. Bis wir in Kabul einen Engländer und einen Australier, kennen lernten und mit denen in den Norden zogen. Es war gut, nicht allein zu gehen. Das schlimmste war die existenzielle Not: Ich hatte kein Geld, wurde krank und wusste nicht, wie ich zurückkommen sollte.
Warum sind Sie später noch einmal nach Afghanistan gereist?
Da war ich 23 oder 24 und schon an der Schauspielschule. Das war für mich mehr wie ein Urlaub. Ich merke jetzt, dass ich damit den Weg meines Vaters gegangen bin. Ich wollte etwas abtragen, kämpfen, selbstständig sein, weg von Muttern, hin zu mir. Viel- leicht auch aus einer alten Schuld ihm gegenüber. Wegen einer schweren Diabetes war er dazu nicht in der Lage, ich aber durfte leben.
Sie sind Afghanistan bis heute verbun- den geblieben. Über die Spendenplatt- form „Musik bewegt" haben Sie vor ei- niger Zeit Geld für die Roschani-Mäd- chenschule im afghanischen Ghazni ge-
sammelt.
Ja, Herbert Grönemeyer hat die Stif- tung „Musik bewegt" gegründet. Und der viel zu früh verstorbene, wunderbare Roger Willemsen hatte uns alle
noch dazu anstiften können, Afghanis- tan und seine Menschen nicht zu ver- gessen. Ich sammle für diese Frauen Spenden in jedem meiner Konzerte. Afghanistan ist ein Schlüssel in mei- nem Leben.
Das Lied „Was sie trugen" hat durch den Ukrainekrieg an Aktualität ge- wonnen. Sie singen über Menschen, die aus purer Not in ihr gelobtes Land fliehen. Fühlen Sie mit den Geflüchteten? Ja, das kann ich. Ich habe einen großen Respekt vor denjenigen, die sich für Geflüchtete engagieren. Ich kenne diesen Moment der Flucht sehr gut, weil ich als Träumer immer dachte, das Glück liegt woanders eher als hier. Für viele Flüchtende gibt es keine derartige Frage. Sie müssen raus, fliehen vor Gewalt und Krieg..
Was gibt Ihnen Hoffnung?
Das ist ein Ansporn an mich selbst. Ich muss das so sehen, weil mir die Welt sonst gar nicht gefallen würde.
In „Basta" besingen Sie den neuen Hass, der freundlich, klug und auch nicht befremdlich daherkomme. Wo machen
Sie die Ursachen dafür fest?
Hass ist aus vielen Gründen vorhan- den. Zum Beispiel aus Bitterkeit oder Verdummung. Hass ist ein Abschalten der eigenen Identität, Anlehnen an eine Autorität, Mitgehen wollen. Der Hass ist eine böse Geschwulst unserer eigenen Situation des Miteinanders. Verblödung oder ein sich selbst von der Gesellschaft ausgesperrt fühlen. In der Gruppe heult es sich lauter. Das sieht man auch an den USA, die immer mehr auseinanderzubrechen drohen. Trump ist nur der Eisberg. Das ist eine starke kollektive und sicher auch soziale Unsicherheit. Aber für ein Land wie Deutschland ist es ebenso gefährlich, wenn die Unsicherheiten, immer sichtbarer werden und die inneren Wertigkeiten und das Menschsein in den Hintergrund rücken. Wo die Kultur stirbt, beginnen radikale Sichtweisen an die Oberfläche zu kommen.
Hält die Politik die Kunst für systemrelevant?
Ich glaube schon. Totalitäre Systeme haben sich Künstler oft zu eigen ge- macht. Kultur muss als Lebensmittel gesehen und vorhanden sein, sonst verblöden wir, die Seelen veröden. lofn